Sunrise 2: Bergung im Schnee
Datenspeicher, Teleskopspiegel und Instrumente haben die Landung des Sonnenobservatoriums gut überstanden und sind jetzt auf dem Heimweg.
Das ballongetragene Sonnenobservatorium Sunrise, das am 12. Juni 2013 zu seinem mehr als fünftägigen Beobachtungsflug von Schweden nach Kanada gestartet war, ist nun in Einzelteile zerlegt auf dem Heimweg nach Deutschland. Obwohl bei der Landung am 18. Juni auf der kanadischen Halbinsel Boothia starke Winde in Bodennähe das Observatorium umwarfen, sind die wichtigsten Komponenten wie etwa die Datenspeicher, die Spiegel des Sonnenteleskops und die wissenschaftlichen Instrumente unversehrt. Das ergab die dreitägige Bergung vor Ort. Während der Großteil des Observatoriums nun in Containern verpackt den langen Heimweg auf dem Seeweg antritt, sind die Datenspeicher bereits am Max-Planck-Institut für Sonnensystem forschung (MPS) im niedersächsischen Katlenburg-Lindau angekommen.
Ein wenig erinnern die Bilder an einen Käfer, der auf den Rücken gefallen ist: Die Unterseite der Ballongondel von Sunrise ragt in die Luft; der vordere Teil der Kohlefaserkonstruktion, welche die Öffnung des Teleskops schützt, steckt einige Zentimeter tief im gefrorenen Boden. Sorgen haben wir uns trotzdem nicht gemacht, beruhigt Werner Deutsch vom MPS, der zusammen mit seinem Kollegen Jan Heinrichs und zwei weiteren Mitgliedern des Bergungsteams die abgelegene Landestelle von Sunrise auf der kanadischen Halbinsel Boothia jenseits des Polarkreises am 19. Juni 2013 mit dem Hubschrauber erreichte. An den Abdrücken im Schnee konnten wir schon beim Anflug erkennen, dass Sunrise richtig herum gelandet und nur danach umgekippt war, ergänzt er. Einen solchen Aufprall kann die Konstruktion aus Kohlefaserstreben abfedern.
Für die folgenden Bergungsarbeiten, die wegen der Schneefälle erst einen Tag später beginnen konnten, war die Käferlage des Observatoriums jedoch eine Herausforderung. Besonders der empfindliche Hauptspiegel des Teleskops war dadurch für uns schwer erreichbar und schwer auszubauen, erinnert sich Jan Heinrichs. Drei Tage brauchte das Team, um das sieben Meter hohe Observatorium nach und nach in Stücke zu zerlegen, die der Hubschrauber tragen konnte. Immer dabei: ein Gewehr. Für den Fall, dass sich nicht nur das Bergungsteam, sondern auch Eis- oder Grizzlybären für das Observatorium interessiert hätten.
Nach einer ersten Zwischenstation in Taloyoak, der nördlichsten Siedlung auf kanadischem Festland, brachte ein kleines Flugzeug die ungewöhnliche Fracht ins mehr als 1000 Kilometer entfernte Yellowknife, die Hauptstadt der kanadischen Nordwest-Territorien. Dort verpackte das Bergungsteam die wissenschaftliche Nutzlast von Sunrise für den letzten, deutlich weniger abenteuerlichen Abschnitt der Reise zurück ans MPS in Katlenburg-Lindau.
Am Max-Planck-Institut eingetroffen sind bereits die wertvollsten Teile des Observatoriums: die Datenspeicher, die während des mehr als fünftägigen Fluges mehrere hundert Gigabyte an Messwerten sammelten. Diese Datenmenge ist so groß, dass wir sie nicht während des Fluges in Echtzeit an die Bodenstation in Schweden funken konnten, erklärt Projektleiter Dr. Peter Barthol. Stattdessen wurden die Messdaten an Bord auf Festplatten gespeichert. Ingenieure und Wissenschaftler des Sunrise-Teams haben nun begonnen, die gesammelten Informationen herunterzuladen, aufzubereiten und zu sichten. Mit ersten, vorläufigen Ergebnissen rechnen wir in ein bis zwei Monaten, sagt Prof. Dr. Sami K. Solanki, Direktor am MPS und wissenschaftlicher Leiter der Mission. Wir sind sehr gespannt, welche Überraschungen die Sonne für uns bereithält.
Während des Fluges an einem riesigen Heliumballon in mehr als 35 Kilometern Höhe hatte Sunrise einen einzigartigen Blick auf unser Zentralgestirn: Der Großteil der Erdatmosphäre, die sonst die Sehschärfe trübt, war überwunden; das ultraviolette Licht der Sonne stand fast ungefiltert zur Verfügung. Bereits 2009 war das Sonnenobservatorium zu seinem ersten Flug gestartet. Damals ermöglichten es die Aufnahmen, erstmals die magnetischen Grundbausteine des Sonnenmagnetfeldes sichtbar zu machen. Beim diesjährigen Zweitflug konnte Sunrise nun auch Sonnenflecken beobachten, dunkle Flecken auf der Sonnenoberfläche, die als Zeichen hoher solarer Aktivität gelten. Von diesen Daten erhoffen sich die Forscher nun neue Erkenntnisse über die Prozesse, die unser Zentralgestirn in Phasen hoher Aktivität prägen.
Die Sunrise-Mission wird geleitet vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung im niedersächsischen Katlenburg-Lindau. Weitere Partner der Mission sind das Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik (Freiburg im Breisgau), das High Altitude Observatory (Boulder, USA), ein spanisches Konsortium unter Leitung des Instituto de Astrofísica de Canarias, das Lockheed-Martin Solar and Astrophysics Laboratory (Palo Alto, USA) und die Columbia Scientific Ballooning Facilty der NASA
Das MPS dankt der Max-Planck-Förderstiftung und den Fördernden Mitgliedern der Max-Planck-Gesellschaft für ihre finanzielle Unterstützung des Projektes.