Zwergplanet Ceres in Farbe
Dem bloßen Auge zeigt sich der Zwergplanet Ceres fast überall in einheitlichem Dunkelgrau. Daten der Raumsonde Dawn offenbaren jedoch Unterschiede in der Zusammensetzung.
Die Oberflächenzusammensetzung des Zwergplaneten Ceres ist deutlich abwechslungsreicher als das bloße Auge erkennen lässt. Dies deutet auf eine bewegte Vergangenheit des etwa 950 Kilometer großen Körpers, den die NASA-Raumsonde Dawn am 6. März dieses Jahres erreichte. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) stellen diese Ergebnisse heute auf der Jahresversammlung der European Geosciences Union (EGU) in Wien vor. Sie stützen ihre Einschätzungen auf Daten aus der Anflugphase auf Ceres.
In den vergangenen Wochen war es ruhig geworden um den Zwergplaneten Ceres. Und dunkel. Denn seit dem erfolgreichen Einfang ins Schwerfeld am 6. März nähert sich die Raumsonde Dawn ihrem Forschungsobjekt sozusagen durch die Hintertür: Da Dawn ihr Ziel von seiner sonnenabgewandten Seite ansteuert, lag der Zwergplanet aus Sicht der Sonde über mehrere Wochen im Dunkeln. Neue Bilder konnte das wissenschaftliche Kamerasystem an Bord, das von Forschern des MPS betrieben wird, in dieser Zeit nicht aufnehmen.
„Dennoch haben wir die Zeit genutzt“, so Andreas Nathues vom MPS, wissenschaftlicher Leiter des Kamerateams. „Die Daten aus der Anflugphase auf Ceres enthalten bereits wertvolle Informationen, die wir nun weiter ausgewertet haben.“ So haben sich die MPS-Forscher vor allem den Bildern zugewandt, die mit Hilfe der sieben Farbfilter des Kamerasystems entstanden. Diese erlauben es, einzelne Wellenlängenbereiche aus dem Licht, das Ceres ins All reflektiert, gesondert zu betrachten. Auf diese Weise werden Unterschiede in der Zusammensetzung der Oberfläche deutlich, die sich mit dem bloßen Auge nicht erkennen lassen. Die Wissenschaftler stellen sie in Falschfarbenkarten dar.
Ceres‘ Oberfläche besteht überwiegend aus kohlenstoffreichen Materialen. Die genaue Zusammensetzung variiert jedoch regional. Dies deutet darauf hin, dass sich die Oberfläche des Zwergplaneten im Laufe der vergangenen 4,6 Milliarden Jahre immer wieder verändert hat. „Ceres war nicht bloß ein toter Brocken. Er war aktiv und die entsprechenden Prozesse führten dazu, dass heute verschiedene Materialien auf verschiedene Regionen verteilt sind“, so Chris Russell von der University of Los Angeles, wissenschaftlicher Leiter der Mission.
Welche Stoffe genau sich im reflektierten Licht bemerkbar machen, ist allerdings noch unklar. Die Forscher setzen nun auf besser aufgelöste Kameradaten, die Dawn ab Ende April zur Erde sendet. Dann wird sich die Raumsonde dem Zwergplaneten auf 13500 Kilometer genähert haben.
„In dieser frühen Missionsphase offenbaren die Bilder vor allem eins“, so Martin Hoffmann vom MPS, der die neuen Ergebnisse heute in Wien präsentiert. „Einen gewaltigen Unterschied zum Asteroiden Vesta.“ Die kleine Schwester der Ceres, die etwa 60 Millionen Kilometer näher zu Sonne ihre Bahnen zieht, war von Juli 2011 bis September 2012 Ziel der Dawn-Mission – und hat das monatelange Fotoshooting bereits hinter sich. Auf Farbkarten, die nach demselben Prinzip erstellt wurden wie die aktuellen Farbbilder von Ceres, zeigt sich eine bunt schillernde Welt mit einer Fülle unterschiedlicher Oberflächenmaterialien.
„Anders als Ceres ähnelt Vesta den vier inneren Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars“, erklärt Hoffmann. Auf der Oberfläche finden sich in erster Linie verschiedene Basalte, die im sichtbaren Licht deutliche und klar unterscheidbare Fingerabdrücke hinterlassen. „Die Kohlenstoffverbindungen hingegen, die weiter außen im Sonnensystem überwiegen, sind weniger abwechslungsreich.“ Zudem findet sich auf Vesta Mineralien wie Serpentin und Olivin, die wahrscheinlich durch den Einschlag kleiner Asteroiden ihren Weg dorthin fanden.
„Ceres hingegen bietet erstaunlich wenige Hinweise auf solch „zugereistes“ Material“, sagt Hoffmann. Eine Erklärung dafür gibt es bisher nicht, denn auch Ceres war in den vergangenen 4,6 Milliarden Jahren einem ständigen Bombardement größerer und kleinerer Brocken ausgesetzt. Das beweisen die zahlreichen Krater, welche die Oberfläche des Kleinplaneten überziehen.
„Insgesamt sind Vesta und Ceres für uns ein Glücksfall“, bilanziert Nathues. Die beiden Bewohner des Asteroidengürtels liegen so nah beieinander, dass ein Raumschiff sie nach einander ansteuern kann – und sind dennoch grundverschieden. Beide Körper stehen für den Übergang, der sich zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter vollzieht – von den wasserarmen Planeten des inneren Sonnensystems zu den wasserreichen des äußeren. „Dawn bietet uns die einzigartige Möglichkeit, durch Vergleich dieser Körper mehr über Entstehung und Entwicklung des Sonnensystems zu erfahren“, so Nathues.
Die Dawn Mission wird vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der amerikanischen Weltraumbehörde NASA geleitet. JPL ist eine Abteilung des California Institute of Technology in Pasadena. Die University of California in Los Angeles ist für den wissenschaftlichen Teil der Mission verantwortlich. Das Kamerasystem an Bord der Raumsonde wurde unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Göttingen in Zusammenarbeit mit dem Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin und dem Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze in Braunschweig entwickelt und gebaut. Das Kamera-Projekt wird finanziell von der Max-Planck-Gesellschaft, dem DLR und NASA/JPL unterstützt.