UV-Schwankungen der Sonne unterschätzt
Die ultraviolette Strahlung von der Sonne trägt mit etwa 60 Prozent stärker zur Schwankung der gesamten Strahlungsintensität unseres Sterns bei als bisher gedacht.
Die Schwankung der Strahlungsintensität der Sonne im Verlauf mehrerer Jahre und Jahrzehnte ist ein wichtiger Parameter in Klimamodellen. Forscher unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen haben nun gezeigt, dass der Einfluss der besonders klimawirksamen ultravioletten (UV-)Strahlung in solchen Rechnungen bisher unterschätzt wurde. Statt wie bisher oftmals angenommen knapp 30 Prozent, trägt die UV-Strahlung etwa 60 Prozent zur gesamten Schwankung der Sonnenintensität bei. Anders als bei anderen Herangehensweisen bestimmen die MPS-Forscher die Intensität der Sonnenstrahlung anhand von magnetischen Vorgängen auf der Sonne selbst: Sie werten die Anzahl und Leuchtkraft von hellen und dunklen Bereichen auf der Sonnenoberfläche aus, die sich kontinuierlich verändern.
Wie hell strahlt die Sonne? Und wie hell strahlte sie vor zehn, hundert und tausend Jahren? Diese Fragen sind für unser Verständnis, wie sich unser Stern auf das Erdklima auswirkt, von entscheidender Bedeutung – und ausgesprochen schwer zu beantworten. Dass die Sonne ein veränderlicher Stern ist, dessen Aktivität einem etwa elfjährigen Zyklus unterliegt, ist zwar seit mehr als hundert Jahren bekannt. Direkte Messungen der Strahlungsintensität sind jedoch erst seit Beginn des Weltraumzeitalters möglich. Entscheidend ist nämlich die Strahlung, die auf die Erdatmosphäre trifft und sich von dort in ihrer Wirkung bis zum Erdboden fortsetzen kann. Seit 1978 liefern Satelliten entsprechende Messdaten. Da jedoch jeder Satellit ein wenig anders konstruiert ist und die Empfindlichkeit der Messgeräte mit der Zeit abnimmt, sind die Daten mitunter schwer zu einander in Beziehung zu setzen.
Umso wichtiger ist es, die Strahlungsintensität der Sonne berechnen und so möglicherweise auch weiter zurückliegende Werte rekonstruieren zu können. Bemühungen dieser Art gibt es seit vielen Jahren. Dabei wurden als Ausgangspunkt meist Messgrößen herangezogen, die sich erfahrungsgemäß parallel mit der Sonnenintensität verändern. Das Modell der Göttinger Forscher ist das erste, das stärker physikalische Zusammenhänge auf der Sonne selbst berücksichtigt. „Wir leiten die Strahlungsintensität der Sonne aus physikalischen Vorgängen ab, die sich auf ihrer sichtbaren Oberfläche abspielen“, erklärt die Leiterin des Projekts Natalie Krivova vom MPS.
Dafür ist ein genauer Blick auf die Sonne nötig, wie ihn etwa die NASA-Raumsonde Solar Dynamics Observatory ermöglicht. „Der Schlüssel zum Verhalten der Sonne liegt fast immer in ihren stark veränderlichen Magnetfeldern“, erklärt Sami K. Solanki, Leiter der Abteilung „Sonne und Heliosphäre“ am MPS und Koautor der neuen Studie. Diese können an manchen Stellen verhindern, dass heißes Plasma aus der Tiefe des Sterns an die Oberfläche gelangt. Als Ergebnis treten Sonnenflecken auf. Das sind dunkle Bereiche auf der sichtbaren Sonnenoberfläche, die in Zeiten hoher Sonnenaktivität besonders zahlreich sind. In der Nähe der Sonnenflecken entstehen zudem Sonnenfackeln, besonders hell leuchtende Bereiche. „Unterm Strich strahlt die Sonne deshalb im Aktivitätsmaximum trotz der vielen Sonnenflecke heller als sonst“, so Krivova.
Die Forscher werten Aufnahmen der Sonnenoberfläche und Messungen der Magnetfelder aus und nutzen diese als Ausgangspunkt für ihr Modell. „Daten dieser Art gibt es seit einigen Jahrzehnten“, erklärt Krivova. „Die Anzahl der Sonnenflecken wird jedoch schon seit Jahrhunderten gezählt und aufgezeichnet.“ Die Herangehensweise der Göttinger Forscher ermöglicht somit auch einen Blick die Vergangenheit unseres Sterns.
„Besonders die verlässlichsten Satellitendaten können wir mit unserem Modell gut rekonstruieren“, beschreibt Kok Leng Yeo vom MPS, Erstautor der Studie. Von den Ergebnissen anderer Modelle unterscheiden sich die der Göttinger Forscher vor allem beim Einfluss der UV-Strahlung. Statt wie bisher gedacht knapp 30 Prozent, trug diese Strahlung in der Zeit von 1992 bis 2004 etwa 60 Prozent zu den gesamten Intensitätsschwankungen der Sonne bei. Abweichende Ergebnisse anderer Modelle lassen sich, so die neue Studie, vor allem auf unzuverlässige Messdaten zurückführen.
Insgesamt sind die Intensitätsschwankungen der Sonnenstrahlung klein. Sie betragen nur den Bruchteil eines Prozents der Gesamtintensität. Die ultraviolette Strahlung hingegen zeigt größere Schwankungen und gilt zudem als besonders klimawirksam. Da die Erdatmosphäre diesen Teil der Strahlung zum Großteil absorbiert, beeinflusst er kritische chemische Reaktionen in den oberen Luftschichten. Indirekt können sich diese Prozesse auch auf die Temperaturen an der Erdoberfläche auswirken.
Wie stark sich die höheren UV-Schwankungen auf das Ergebnis von Klimamodellen und -prognosen auswirkt, ist unklar. „Aus unserer Sicht ist es wichtig, möglichst akkurate Werte für den Einfluss der Sonne zu verwenden“, so Krivova. In der Vergangenheit hatten Rechnungen gezeigt, dass die Sonne zwar das Klima beeinflusst, nicht aber maßgeblich für den starken globalen Temperaturanstieg der vergangenen Jahrzehnte verantwortlich ist. „Wir erwarten nicht, dass sich dieser Trend grundlegend ändert“, so Krivova.