Sunrise III:
Nächster Forschungsflug in diesem Jahr

Erst eisige Kälte, dann Mitternachtssonne: Am Polarkreis bereitet das Team den Flug des ballongetragenen Sonnenobservatoriums vor – und hofft auf ein solares Feuerwerk.

2. April 2024

Der nächste Stratosphärenflug des ballongetragenen Sonnenobservatoriums Sunrise III ist für den Frühsommer dieses Jahres geplant. Mit der heutigen Abfahrt der Flughardware vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen zum Startplatz am Polarkreis beginnt die letzte und entscheidende Missionsphase. Vor Ort auf der Raketen- und Ballonbasis Esrange Space Center der schwedischen Weltraumagentur nahe der Stadt Kiruna bereitet das Sunrise-Team in den nächsten zwei Monaten Teleskop, wissenschaftliche Instrumente und Gondel auf ihren Einsatz in 35 Kilometern Höhe vor. Dabei werden alle Arbeiten vor und während des Flugs vom Göttingen Operations Center am MPS gesteuert. Sunrise hat bereits bei zwei vorherigen Flügen einzigartige Daten von der Sonne eingefangen. Der dritte Flug im Juli 2022 musste wegen technischer Schwierigkeiten abgebrochen werden. In diesem Jahr dürfte es besonders spannend werden: Die Sonne steuert derzeit auf ihr Aktivitätsmaximum zu.

Seit Monaten schon laufen am MPS und an den Partnereinrichtungen die Vorbereitungen für den diesjährigen Flug von Sunrise III auf Hochtouren: Das 376 Kilogramm schwere Teleskop, das Herzstück des Sonnenobservatoriums, sowie die Gondel wurden komplett überholt; die wissenschaftlichen Instrumente und weitere Systeme getestet und kalibriert und die Software auf den neusten Stand gebracht. Die letzten Wochen vor dem Start führen das Team nun in die Kälte – zumindest zunächst. Aktuell herrscht in Kiruna bitterer Dauerfrost mit Tiefsttemperaturen bis zu -20 Grad Celsius. Bis Sunrise III Ende Mai startklar ist, dürfte es deutlich milder sein. Die Sonne geht dann nördlich des Polarkreises nicht mehr unter – optimale Bedingungen für Sonnenforschende.

„Der Flug von Sunrise dauert in der Regel etwa fünf bis sieben Tage, je nach Windgeschwindigkeit. Um diese Zeit optimal zu nutzen, wollen wir ohne Unterbrechung auf die Sonne schauen können. Das geht nur nördlich des Polarkreises“, erklärt Sunrise III-Missionsleiter und MPS-Direktor Prof. Dr. Sami Solanki die Wahl des Startplatzes im hohen Norden. Bei einer Reiseflughöhe von etwa 35 Kilometern beeinträchtigen auch Wolken die Sicht nicht. Die langen Beobachtungsreihen ermöglichen es, Prozesse und Vorgänge auf der Sonne, die sich über mehrere Tage erstrecken, ungestört mitzuverfolgen.

In einer großen, eher schmucklosen Halle des Esrange Space Center mit Blick auf den ausgedehnten Ballonstartplatz soll das Sonnenobservatorium nun in den nächsten acht Wochen Gestalt annehmen. Die sieben Meter hohe Gondel beherbergt dann neben dem Sonnenteleskop mit einem Hauptspiegeldurchmesser von einem Meter auch die Instrumente SUSI (Sunrise UV Spectropolarimeter and Imager), SCIP (Sunrise Chromospheric Infrared Spectro-Polarimeter) und TuMaG (Tunable Magnetograph), die vom MPS, dem National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ) und dem Spanish Space Solar Physics Consortium (S3PC) unter Leitung des Instituto de Astrofísica de Andalucía entwickelt und gebaut wurden. Das System zur Bildstabilisierung stammt vom Institut für Sonnenphysik in Freiburg. Die Gondel selbst wird vom Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins Universität in den USA zur Verfügung gestellt.

„Kommandozentrale“ in Göttingen

Startklar ist Sunrise III Ende Mai. Dann gibt das Wetter den weiteren Zeitplan vor. Zum Startzeitpunkt dürfen keine Niederschläge fallen; zudem muss es in den bodennahen Luftschichten windstill sein. „Wir hoffen sehr, dass wir nicht wieder wie vor zwei Jahren bis Anfang Juli auf den Start warten müssen“, so Sunrise III-Projektmanager Dr. Andreas Korpi-Lagg. Falls es doch zu einem späten Start kommt, ist das Team gewappnet. In diesem Jahr werden alle Arbeiten aus Göttingen koordiniert; nur wenige Teammitglieder werden vor Ort am Polarkreis sein. „Das Göttingen Operations Center bietet eine bessere technische Infrastruktur und erleichtert uns viele logistische Abläufe“, so Korpi-Lagg.

Teleskop und Instrumente so gut wie neu

Der bevorstehende Flug ist der vierte der Sunrise-Mission. Die Flüge von Sunrise I und II in den Jahren 2009 und 2013 lieferten einzigartige Messdaten. So konnte Sunrise die Stärke des Magnetfelds in den magnetischen Grundbausteinen der Sonne bestimmen sowie Strukturen in der unteren Atmosphäre der 150 Millionen Kilometer entfernten Sonne erstmals mit einer Auflösung von 50 Kilometern im ultravioletten Licht abbilden. Der Flug von Sunrise III im Juli 2022 musste vorzeitig abgebrochen werden, weil sich das Teleskop nicht zur Sonne ausrichten ließ. Wenige Stunden nach dem Start landete das Observatorium am Fallschirm im hohen Norden Schwedens. Die technischen Schwierigkeiten von damals sind nun behoben. 

„Die Landung vor zwei Jahren war zum Glück wie aus dem Bilderbuch. Teleskop und Instrumente haben alles prima überstanden“, so Korpi-Lagg. Dennoch hatten Flug, Landung und vor allem die mehrtägige Wartezeit in unwegsamem Gelände auf das Bergungsteam Spuren hinterlassen. Entsprechend mussten alle Spiegel des Teleskops in den vergangenen Monaten mit einer neuen, reflektierenden Schicht aus Aluminium bedampft werden. Die Instrumente wurden gereinigt und alle Kabel ersetzt. Die Mühe hat sich gelohnt. „Teleskop und Instrumente sind in einem tollen Zustand“, freut sich Sunrise III-Projektwissenschaftler Dr. Achim Gandorfer. „Die Optik des Teleskops ist sogar noch präziser justiert als vor zwei Jahren“, fügt Sunrise III-Ingenieurin Bianca Grauf hinzu.

Blick auf den Ursprungsort von Sonnenstürmen

Beste Voraussetzungen also, um in diesem Sommer erneut den Blick auf die Sonne zu richten. Da Sunrise in 35 Kilometern Höhe den Großteil der Erdatmosphäre unter sich lässt, haben die Instrumente Zugang zur ultravioletten Strahlung von der Sonne. Diese wird sonst von der Lufthülle der Erde „geschluckt“. „Die ultraviolette Strahlung der Sonne enthält vor allem Informationen über die heißen Schichten oberhalb der sichtbaren Sonnenoberfläche“, so Solanki. Sunrise III bietet die Möglichkeit, die Strukturen und Prozesse in der unteren Sonnenatmosphäre genauer als je zuvor zu verfolgen.
Der Startzeitpunkt könnte dafür kaum besser sein. Aktuell nähert sich die Sonne ihrem nächsten Aktivitätsmaximum an. Prozesse in der unteren Sonnenatmosphäre treiben unter anderem die zahlreichen Sonneneruptionen an, die in den vergangenen Wochen und Monaten auch zu Polarlichtern in vergleichsweise tiefen Breiten geführt haben.

Über die Mission

Das ballongetragene Sonnenobservatorium Sunrise III ist eine Mission des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS, Deutschland). Sunrise III blickt mit Hilfe eines 1-Meter-Teleskops, dreier wissenschaftlicher Instrumente und eines Systems zur Bildstabilisierung aus der Stratosphäre auf die Sonne. Maßgeblich Mitwirkende an der Mission sind das Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins Universität (APL, USA), ein spanisches Konsortium, das National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ, Japan), und das Institut für Sonnenphysik (KIS, Deutschland). Das spanische Konsortium wird geleitet vom Instituto de Astrofísica de Andalucía (IAA, Spanien) und besteht zudem aus dem Instituto Nacional de Técnica Aeroespacial (INTA), der Universitat de València (UV), der Universidad Politécnica de Madrid (UPM) und dem Instituto de Astrofísica de Canarias (IAC). Weitere Partner sind das Wallop’s Flight Facility Balloon Program Office (WFF-BPO) der NASA und die Swedish Space Corporation (SSC).

Sunrise III wird unterstützt von der Max-Planck-Förderstiftung, der NASA im Rahmen der Grants #80NSSC18K0934 und #80NSSC24M0024 ("Heliophysics Low Cost Access to Space"-Programm) sowie dem ISAS/JAXA Small Mission-of-Opportunity-Programm und JSPS KAKENHI JP18H05234. Die spanischen Beiträge wurden vom spanischen MCIN/AEI im Rahmen der Projekte RTI2018-096886-B-C5 und PID2021-125325OB-C5 sowie von "Center of Excellence Severo Ochoa"-Preisen an das IAA-CSIC (SEV-2017-0709, CEX2021-001131-S) finanziert, die alle von den europäischen REDEF-Fonds "A way of making Europe" kofinanziert wurden.

 

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