Das versteckte Magnetfeld der Sonne während des großen Minimums
Das Magnetfeld der Sonne könnte sich während des großen Aktivitätsminimums tief unter der Oberfläche verstecken. Das zeigt eine Studie der Langzeitvariationen der Sonne mit Hilfe von Computermodellen, die ein Jahrtausend umfassen.
Unsere Sonne durchläuft Zyklen mit einer Dauer von 11 Jahren, über die hinweg sich unter anderem das Auftreten und Verschwinden von Sonnenflecken, sowie das globale Magnetfeld verändern. Eine neue Studie des ReSoLVE Centre of Excellence an der Universität Aalto in Finnland mit Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen hat nun die Mechanismen untersucht, die diesen langfristigen Veränderungen der Sonnenaktivität zugrunde liegen. Die Forschergruppe unter der Leitung von Maarit Käpylä nutzte sechs Monate lang Finnlands leistungsstärksten Supercomputer, um ein globales Modell der Sonne zu berechnen. Ihre Ergebnisse zeigen überraschend, dass sich das Magnetfeld der Sonne während des großen Minimums in Wirklichkeit in einem Maximum befindet. Mit ihren Berechnungen schufen die Forscher gleichzeitig die weltweit längste numerische Simulation eines sonnenähnlichen Dynamos zusammen mit seiner Langzeitvariation.
Das bemerkenswerteste Resultat der Studie, die in der Mai-Ausgabe des Magazins „Astronomy and Astrophysics“ erschienen ist, betrifft die langen ruhigen Phasen der Sonne, die als große Minima bekannt sind. Das wohl berühmteste Minimum dieser Art ist das Maunder Minimum, das etwa zwischen 1650 und 1700 zu beobachten war. Während dieses Minimums konnten Astronomen trotz gezielter Bemühungen kaum Sonnenflecken entdecken. Gleichzeitig änderte sich das Klima, und in Europa, Nordamerika und Asien kam es zur sogenannten Kleinen Eiszeit. Bisher nahm man an, dass das Magnetfeld der Sonne während solcher Phasen so sehr geschwächt ist, dass es nicht in der Lage ist, Sonnenflecken oder andere Arten von Aktivität zu erzeugen. Die Studie zeigt nun aber, dass sich das Magnetfeld während des Maunder Minimums in einem Zustand maximaler Stärke befunden hat.
„Die Phänomene, die in der Sonne vorkommen – den Zyklus mit eingeschlossen – ändern sich mit der Zeit, sodass man das Verhalten über einen langen Zeitraum hinweg untersuchen muss. Kurzfristige Variationen sind für die Untersuchung des Weltraumklimas nicht interessant“, erklärt Maarit Käpylä, die das DYNAMO Team im ReSoLVE (Research on SOlar Long-term Variability and Effects) Centre of Excellence leitet und Astroinformatik beziehungsweise numerische Astrophysik und Datenanalyse am Informatikinstitut der Universität Aalto betreibt.
Für ihre Studie nutzen die Forscher Computercodes, mit denen sie die Prozesse in der Sonne simulierten. Mit ihrer Berechnungen schufen sie die bisher längste numerische Simulation eines sonnenähnlichen Dynamos zusammen mit seiner Langzeitvariation. „Die zunehmend leistungsstärkeren Computer haben es uns ermöglicht, die Sonne und die Entwicklung ihres Magnetfelds so detailliert wie noch nie zuvor zu modellieren. Wir hoffen, dass unsere Modelle in ein paar Jahren die Frage beantworten können, warum wir einen 11-Jahres-Zyklus haben“, sagt Co-Autor Jörn Warnecke, der ein Marie-Curie Fellow am MPS ist. Anders als Beobachtungsdaten untersuchen die Simulationen nicht nur die Oberfläche, stattdessen bieten sie eine dreidimensionale Repräsentation des magnetisch aktiven Teils der Sonne.
„Bisher konnten wir nur untersuchen, was auf der Oberfläche der Sonne zu sehen war, aber die Simulationen ermöglichen uns einen Blick unter die Oberfläche. Während des Maunder Minimus sinkt das Magnetfeld auf den Grund der Konvektionszone und ist dort sehr stark,“ sagt Käpylä.
Die äußerste Schicht der Sonne, die Konvektionszone, verhält sich wie ein Topf voll kochendem Wasser mit seinen aufsteigenden Blasen, die die Wärme transportieren. Diese Bewegungen erzeugen nicht nur ein Magnetfeld, sie verursachen auch Turbulenz in der gesamten Konvektionszone und erschweren damit die Berechnung. „Es ist mit heutigen Computern – und auch mit denen der näheren Zukunft – völlig unmöglich, die Sonne mit ihrer Turbulenz exakt nachzubilden. Daher behaupten wir auch nicht, dass unser Modell tatsächlich die Sonne ist. Es ist vielmehr eine dreidimensionale Konstruktion verschiedener solarer Phänomene durch das man den Stern, der unser Weltraumklima gestaltet, besser verstehen kann,“ erklärt Käpylä.
Maarit Käpylä wird im Juni 2016 als unabhängige Gruppenleiterin ans MPS kommen. Ihre neu gegründete Forschungsgruppe wird ab September Untersuchungen zu solarer und stellarer Aktivität betreiben. Diese beinhalten numerische 3D-Simulationen der Sonne und der Sterne mit Hochleistungsrechnern sowie die Beobachtung von sonnenähnlichen Sternen zur Untersuchung ihrer magnetischen Zyklen. Sie wird ihre Tätigkeit als Leiterin im DYNAMO Team fortsetzen und sowohl das finnische als auch das deutsche Team werden sich dabei auf noch aufwändigere Simulationen mit graphischen Steuereinheiten konzentrieren.