Langsames Erscheinen von Sonnenflecken bringt Theorie in Bedrängnis
Wissenschaftler stellen fest, dass Sonnenflecken langsamer als bisher gedacht zur Oberfläche aufsteigen
Aktive Gebiete der Sonne bestehen aus stark magnetischen Sonnenflecken und aus umgebenden Regionen, die ein diffuseres Magnetfeld aufweisen. Diese Gebiete sind der Ursprung der solaren Aktivität und unter anderem auch für das Weltraumwetter verantwortlich, das zu beeindruckenden Naturerscheinungen wie Nordlichtern aber auch zu Schäden an Satelliten und am Stromnetz führen kann. Aktive Regionen entstehen, wenn magnetische Flusskonzentrationen, also Bündel magnetischer Feldlinien, aus dem Inneren der Sonne aufsteigen und die Oberfläche durchbrechen. Ein Team aus Forschern vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen, der Universität Göttingen, der North West Research Associates und vom High Altitude Observatory of the National Center for Atmospheric Research hat jetzt bewiesen, dass diese magnetischen Flusskonzentrationen sich mit maximal 150 Metern pro Sekunde durch das Sonneninnere nach oben bewegen. Das ist deutlich langsamer als vom derzeit vorherrschenden Modell vorhergesagt. Für ihre Studie, die heute im Fachblatt Science Advances erscheint, kombinierten die Forscher Satellitenbeobachtungen und Computersimulationen.
Ein klares Anzeichen dafür, dass eine magnetische Flusskonzentration die Sonnenoberfläche durchdringt und eine aktive Region bildet, sind Gebiete mit Magnetfeldern entgegengesetzter Polarität. Diese sind auf Magnetfeldkarten, wie sie das Helioseismic and Magnetic Imager (HMI) Instrument an Bord des NASA-Satelliten Solar Dynamics Observatory (SDO) liefert, deutlich zu erkennen. Anhand dieser Bilder identifizierten die Forscher aktive Regionen und bestimmten den Moment ihres Auftretens.
Seit seinem Start im Jahr 2010 stellt SDO einen fast ununterbrochenen Strom an Daten zur Verfügung. „Für unsere Studie benötigten wir Messungen von einer statistisch signifikanten Anzahl aktiver Regionen“, erklärt Erstautor Aaron Birch vom MPS. „HMI ist für unsere Zwecke ideal, da es hochaufgelöste Bilder der gesamten sichtbaren Sonnenscheibe liefert, und das beinahe ohne Unterbrechung“, fügt er hinzu. Wegen des solaren Aktivitätsminimums im Jahr 2010, das zu einem deutlich selteneren Auftreten von aktiven Regionen führte, musste das Team über mehrere Jahre hinweg Daten sammeln.
Zusätzlich zu den Magnetfeldkarten, anhand derer die Forscher aktive Regionen identifizieren konnten, liefert HMI auch Bildern im sichtbaren Licht. Diese waren essentiell für die Bestimmung der horizontalen Strömungsgeschwindigkeit des Plasmas rund um die identifizierten aktiven Regionen. Um diese Plasmaströmungen zu messen, verwendeten die Forscher zwei verschiedene Methoden: Einerseits verfolgten sie die Bewegungen kleiner Helligkeitsmuster, und andererseits untersuchten sie die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Druckwellen.
Credit: Matthias Rempel / High Altitude Observatory of the National Center for Atmospheric Research, finanziert durch die National Science Foundation. Das NASA High-End Computing Programm (HEC) stellte Rechenzeit durch die NASA Advanced Supercomputing (NAS) Division at Ames Research Center im Rahmen der Projekte s1325 und s1326 zur Verfügung.
Gleichzeitig berechnete Co-Autor Mathias Rempel vom High Altitude Observatory in Boulder mithilfe von Computersimulationen auf den Supercomputern der NASA, wie die aufsteigenden magnetischen Flusskonzentrationen mit der Konvektion – also den turbulenten Bewegungen des Plasmas - unter der Oberfläche interagieren. Diese Art der Berechnung verlangt einen großen Rechenaufwand und ist erst seit Kurzem durchführbar. Die Simulationen zeigten, dass die Stärke der Strömungen an der Oberfläche mit der nach oben gerichteten Geschwindigkeit der Flusskonzentrationen zunimmt: Durch ihr Aufsteigen wird das Material zur Seite geschoben.
Indem die Forscher diese Computersimulationen mit der beobachteten Strömung an der Sonnenoberfläche verglichen, konnten sie zeigen, dass die magnetischen Flusskonzentrationen sich nicht schneller aufwärts bewegen können als die Konvektion unter der Oberfläche. Diese bewegt sich in einer Tiefe von 20.000 Kilometern mit etwa 150 Metern pro Sekunde. Dieses Ergebnis steht in deutlichem Kontrast zu den Vorhersagen des derzeit besten Modells für das Aufsteigen der Flusskonzentrationen, denn dieses sagte in derselben Tiefe eine Geschwindigkeit von 500 Metern pro Sekunde voraus. „Das Ergebnis zeigt uns, dass das Bild, das die vorherrschende Theorie uns zeigt, erst noch angepasst werden muss um den Effekt der Konvektion zu berücksichtigen“, schlussfolgert Birch.
Erstautor der Studie, Aaron Birch arbeitet am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in der von Co-Autor Laurent Gizon geleiteten Abteilung „Das Innere der Sonne und der Sterne“. Die SDO/HMI Daten wurden dem German Data Center for SDO (GDC-SDO), das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) finanziert wird und Teil des SpaceInn Netzwerks der Europäischen Union ist, durch das HMI Team zur Verfügung gestellt. Die Datenverarbeitung erfolgte unter anderem durch das Workflow Management System Pegasus, finanziert von National Science. Das NASA High-End Computing Programm (HEC) stellte Rechenzeit durch die NASA Advanced Supercomputing (NAS) Division at Ames Research Center zur Verfügung, und die Arbeit wurde zum Teil durch die NASA Heliophysics Division unterstützt.