Paul-Niggli-Medaille für Dr. Christian Renggli

Der MPS-Forscher untersucht Vulkanausbrüche auf Erde, Mond und Merkur und schaut dabei genau auf die Wechselwirkungen zwischen Gasen und Mineralen.

13. Februar 2024

Die Schweizerische Geologische Gesellschaft (SGG) hat die Paul Niggli Medaille 2023 an Dr. Christian Renggli vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) verliehen. Das Komitee würdigt damit seine experimentelle Forschung zu Gas-Festkörper-Reaktionen, die unser Verständnis von Vulkanen auf der Erde und im Sonnensystem auf eine Stufe gebracht haben. Unter anderem beschäftigt sich Dr. Renggli mit der Zusammensetzung der Gase, die den explosiven Vulkanismus auf dem Mond von Milliarden von Jahren angetrieben haben. Darüber hinaus weisen seine Arbeiten zur Verteilung von Schwefel auf dem Merkur einen auf einen möglichen Mechanismus von Bildung und Verwitterung von Schwefelkrusten hin. Dieser könnte die Vertiefungen auf der Merkuroberfläche erklären, die der Wissenschaft seit ihrer Entdeckung Rätsel aufgeben. Ob diese Hypothese stimmt, könnte ab 2025 die Merkursonde BepiColombo überprüfen, zu der auch das MPS wissenschaftliche Instrumente beiträgt.   

Geschüttelte Sektflaschen und explosive Vulkane haben eine Gemeinsamkeit: Es ist das freigesetzte Gas, das den Ausbruch antreibt. Vulkane finden sich seit Milliarden von Jahren überall im Sonnensystem, von den Feuergürteln der Erde über die erloschenen Schlote auf dem Mars bis zum aktivsten Körper im Sonnensystem, dem Jupitermond Io. Das ausgestoßene Gas reagiert bisweilen mit dem umliegenden Gestein und findet sich bis heute in Proben wie denen der Apollo-Missionen. Wissenschaftler wie Dr.  Renggli können viel aus den Gasen und ihrer Interaktion mit der Umgebung lernen, selbst wenn die Vulkane schon lange erloschen sind.

Ein neues, von ihm mitentwickeltes Modell beschäftigt sich mit der Frage, woraus die Gase zusammengesetzt sind, die den lunaren Vulkanismus angetrieben haben und wie kleinste Spuren von Metall in solchen Gasen transportiert werden. Dieser Transport hängt von der chemischen Form des Metalls ab - Eisen kann beispielsweise mit zwei (Fe2+) oder drei (Fe3+) positiven Ladungen vorkommen – und wird von Größen wie Temperatur, Druck, Gaszusammensetzung und der Verfügbarkeit von reaktionsfähigem Sauerstoff beeinflusst. 

Mithilfe des neuen Modells konnte Dr. Renggli zeigen, dass nahe der ehemaligen Vulkane auf dem Mond Metall in seiner natürlichen Form zu erwarten ist, während der Anteil von Metall-Schwefel-Verbindungen mit zunehmendem Abstand wächst. Außerdem ist der Transport von Metallen in vulkanischen Gasen auf der Erde durch die veränderten Rahmenbedingungen, z.B. durch das Vorhandensein einer Atmosphäre, effektiver ist als auf dem Mond.

In den vergangenen Jahren beschäftigte sich der gebürtige Schweizer mit dem Vulkanismus auf dem sonnennächsten Planeten, Merkur. Seit den Vorbeiflügen von Mariner 10 in den 1970er Jahren umkreiste und kartierte die NASA-Sonde Messenger (2004-2015) erstmals den Planeten. Hierbei fand sie auf dessen Oberfläche größere Schwefelvorkommen sowie flache, höchstens einige Kilometer große Vertiefungen, die der Wissenschaft bis heute Rätsel aufgeben.

Laborexperimente von Dr. Renggli und seinen Kollegen lassen nun Rückschlüsse auf einen Mechanismus zu, der eine Ursache für die Vertiefungen sein könnte. In seiner Arbeit untersuchte der Forscher die Interaktion zwischen gasförmigem Schwefel, wie er bei vulkanischen Ausbrüchen vorkommt, mit Mineralen, wie sie von Messenger auf der Oberfläche des Merkur nachgewiesen wurden. Die Experimente zeigen, dass das Schwefelgas mit den Mineralen reagiert und sich anlagert. Einerseits könnte dies die Schwefelablagerungen auf der Merkuroberfläche erklären, andererseits sind die Ablagerungen nicht unbegrenzt stabil. Durch kosmische Einflüsse wie die Strahlung der Sonne oder Einschlägen von winzigen Meteoriten wird die Schwefelkruste abgetragen. Das könnte die beobachteten Vertiefungen erklären. Ob die Hypothese stimmt, könnte sich schon 2025 zeigen, wenn die dritte Forschungsmission zum Merkur, die ESA-Mission BepiColombo, in dessen Orbit eintritt.

Am MPS baut Dr. Renggli ein neues Hochtemperatur-Experimentallabor auf. Mit neuen Methoden wird er die Wechselwirkungen zwischen Magmaozeanen und heißen Atmosphären untersuchen, wie sie auf fernen Exoplaneten zu beobachten sind. Aus diesen Experimenten erhofft er sich auch Rückschlüsse über die Entwicklung der terrestrischen Planeten im Sonnensystem. Diese hatten in ihren frühen Entwicklungsstadien ebenfalls Magmaozeane.

Dr. Renggli wurde 2018 nach einem Studium der Geologie in Bern und München im australischen Canberra promoviert. Von 2018 bis 2023 war er an der Universität Münster tätig. Seit Oktober 2023 forscht der Wissenschaftler am MPS.

Die Paul-Niggli-Medaille gilt als die bedeutendste Auszeichnung der Schweiz für Nachwuchswissenschaftler*innen im Bereich der Geowissenschaften. Sie wird seit 1988 jährlich von der Schweizerischen Geologischen Gesellschaft (SGG) für herausragende Leistungen auf den Gebieten Mineralogie, Geochemie, Petrologie, Rohstoffgeologie oder Festkörper-Geophysik verliehen. Die Preisträger*innen dürfen nicht älter als 35 Jahre alt sein und müssen entweder schweizerische Staatsbürger sein oder zumindest zwei akademische Abschlüsse in der Schweiz erworben haben. Der Namensgeber, Paul Niggli (1888 – 1953), war ein schweizerischer Geowissenschaftler und Kristallograph. Bekannt wurde Niggli durch seine Forschung zur Anordnung der Atome in Kristallgittern.

 

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