OSIRIS entdeckt Wackelstein auf 67P
Eine außergewöhnliche Formation haben Wissenschaftler des OSIRIS-Teams auf dem Körper des Rosetta-Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko in der Region Aker entdeckt. In einer Gruppe von drei gewaltigen Brocken sticht der größte mit einem Durchmesser von etwa 30 Metern besonders hervor: Aufnahmen, die am 16. September vergangenen Jahres mit Hilfe des wissenschaftlichen Kamerasystems OSIRIS aus einer Entfernung von 29 Kilometern entstanden, zeigen, dass er auf dem Rand einer Vertiefung gleichwie balanciert; es scheint nur eine sehr kleine Auflagefläche zu geben.
Geologische Formationen dieser Art kommen auch auf der Erde vor. Die zum Teil riesigen Gesteinsbrocken berühren den Untergrund nur mit einem winzigen Teil ihrer Oberfläche und muten an, als würden sie jeden Moment umkippen oder herunterfallen. Einige lassen sich in der Tat bewegen und werden dann als Wackelsteine bezeichnet. In Deutschland finden sich solche etwa im Bayrischen Wald oder im Fichtelgebirge. Imposante nicht-wackelnde Beispiele sind unter anderem aus Australien oder dem Südwesten der USA bekannt.
Oftmals sind diese Felsbrocken an Bord von Gletschern zu ihrem heutigen, kippeligen Standort gereist. In anderen Fällen haben Wind und Wasser weicheres Gestein in der Umgebung abgetragen und den Wackelstein freigelegt.
„Wie der mögliche Wackelstein auf dem Kometen entstanden ist, lässt sich noch nicht sagen“, erklärt Holger Sierks vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, Leiter des OSIRIS-Teams. Es sei aber denkbar, dass auch auf dem Kometen Transportprozesse eine Rolle spielen. So könnten Brocken durch die Aktivität des Kometen, die nach und nach oberflächliches Material abträgt und ins All spuckt, wandern und an einen neuen Standort gelangen.
„Schon in früheren Aufnahmen war uns diese Formation aufgefallen“, erinnert sich OSIRIS-Wissenschaftler Sebastien Besse von der ESA, der den Wackelstein entdeckt hat. „Die Brocken schienen sich jedoch zunächst nicht grundlegend von anderen zu unterscheiden.“ An vielen Stellen auf der Oberfläche des Rosetta-Kometen finden sich vereinzelte, zum Teil sehr große Brocken. Einen der größten auf der Unterseite des Kometen misst etwa 45 Meter. In Anlehnung an die ägyptischen Pyramiden haben die Forscher ihn „Cheops“ getauft. Andere Kometenregionen gleichen gar Geröllhalden und sind von Brocken geradezu übersät.
„Aufnahmen von der Oberfläche des Kometen richtig zu interpretieren, ist eine schwierige Aufgabe“, erklärt Sierks. Je nach Beobachtungsstandort der Raumsonde zum Zeitpunkt der Aufnahme, Beleuchtungsverhältnissen und Auflösung können sehr unterschiedliche und zum Teil irreführende Eindrücke entstehen.
So erwecken Aufnahmen der „Wackelstein-Formation“ vom 16. August 2014 (oberes Bild), die aus einer größeren Entfernung von 105 Kilometern entstanden, den Anschein, als rage der mittlere Brocken säulenartig empor. Aufnahmen vom 19. September 2014 (unteres Bild) zeigen jedoch ein anderes Bild.
Die OSIRIS-Wissenschaftler wollen den Wackelstein-Kandidaten weiterhin genau beobachten. Neue Aufnahmen könnten Aufschluss über sein wahres Wesen und möglicherweise auch über seine Entstehung geben.
Rosetta ist eine Mission der Europäischen Weltraumagentur ESA mit Beiträgen der Mitgliedsstaaten und der amerikanischen Weltraumagentur NASA. Rosettas Landeeinheit Philae wurde von einem Konsortium unter Leitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) und der französischen und italienischen Weltraumagentur (CNES und ASI) zur Verfügung gestellt. Rosetta ist die erste Mission in der Geschichte, die einen Kometen anfliegt, ihn auf seinem Weg um die Sonne begleitet und eine Landeeinheit auf seiner Oberfläche absetzt.
Das wissenschaftliche Kamerasystem OSIRIS wurde von einem Konsortium unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Zusammenarbeit mit CISAS, Universität Padova (Italien), Laboratoire d'Astrophysique de Marseille (Frankreich), Instituto de Astrofísica de Andalucia, CSIC (Spanien), Scientific Support Office der ESA (Niederlande), Instituto Nacional de Técnica Aeroespacial (Spanien), Universidad Politéchnica de Madrid (Spanien), Department of Physics and Astronomy of Uppsala University (Schweden) und dem Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze der TU Braunschweig gebaut. OSIRIS wurde finanziell unterstützt von den Weltraumagenturen Deutschlands (DLR), Frankreichs (CNES), Italiens (ASI), Spaniens (MEC) und Schwedens (SNSB).