500 Tage bis zum Start von Sunrise III
Mit drei neuen wissenschaftlichen Instrumenten blickt die Mission Sunrise III aus der Stratosphäre auf die Sonne.
Im Sommer 2022 bricht das ballongetragene Sonnenobservatorium Sunrise zu seinem dritten Stratosphärenflug auf. Vom luftigen Beobachtungsstandort mehr als 35 Kilometer über dem Erdboden genießt das Observatorium während des mehrtägigen Fluges von Nordschweden nach Kanada einen einzigartigen Blick auf die Sonne: rund um die Uhr, ungestört von den Luftturbulenzen in der Erdatmosphäre und mit Zugang zur ultravioletten Strahlung unseres Zentralgestirns. Ausgerüstet mit einem 1-Meter-Teleskop, drei neuen wissenschaftlichen Instrumenten und einem ausgeklügelten System zur Bildstabilisierung ermöglicht die Mission unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen so bisher unerreichte Beobachtungen der Sonnenoberfläche und den angrenzenden, darüberliegenden Schichten der Sonnenatmosphäre. In den verbleibenden 500 Tagen bis zum Start fügt das internationale Team am MPS alle Subsysteme zusammen, bevor sich Sunrise III-Team auf den Weg nach Schweden macht.
Am 1. Juni 2022 öffnet sich das Startfenster für Sunrise III. Wie bei den ersten beiden Flügen, die ebenfalls vom Esrange Space Center der Swedisch Space Cooperation (SSC) im nordschwedischen Kiruna starteten, trägt ein riesiger, heliumgefüllter Ballon das drei Tonnen schwere Observatorium in die Stratosphäre. Dort angekommen erfassen es die zirkumpolaren Ostwinde und tragen es nach Westen. Während des mehrtägigen Fluges nördlich des Polarkreises geht für Sunrise die Sonne nicht unter, so dass das Observatorium ohne Unterbrechung auf die Sonne schaut. Im der unbesiedelten Wildnis Nordost-Kanadas landet Sunrise dann an einem Fallschirm.
Bereits zweimal ist dieses abenteuerliche Konzept aufgegangen. 2009 und 2013 enthielten die Datenspeicher, die an der Landestelle geborgen wurden, unvergleichliche Messdaten. Darin konnten Forscherinnen und Forscher unter anderem erstmals die kleinsten Bausteine des Sonnenmagnetfeldes an der Sonnenoberfläche identifizieren und Strukturen von nur 50 Kilometern Größe, die sich im ultravioletten Licht von der Sonne zeigen, sichtbar machen. Im Vergleich zum Durchmesser der Sonne von etwa 1,4 Millionen Kilometern ist das geradezu winzig.
In der Zwischenzeit ist die Sonnenforschung nicht stehen geblieben. Das Daniel K. Inouye Sonnenteleskop auf Hawaii etwa ermöglicht mit einem Spiegeldurchmesser von vier Metern Sonnenbeobachtung mit bisher unerreichter räumlicher Auflösung; Weltraummissionen wie Solar Orbiter der europäischen Weltraumagentur ESA blicken auf die Sonne aus großer Nähe. Doch auch die Sunrise Mission hat sich weiterentwickelt. „Sunrise III ist eine notwendige Ergänzung zu laufenden Projekten der Sonnenforschung“, begründet Prof. Dr. Sami K. Solanki, Direktor am MPS und Leiter der Sunrise-Missionen, den erneuten Flug. „Die Mission ermöglicht den Zugang zu Daten, die kein erdgebundenes Teleskop und keine Raumsonde derzeit liefern kann“, fügt er hinzu.
Das Augenmerk von Sunrise III richtet sich auf eine Schicht von etwa 1000 Kilometern Dicke über der sichtbaren Oberfläche der Sonne, die untere Chromosphäre. Anders als die Vorgängermissionen kann Sunrise III die vergleichsweise schwachen Magnetfelder in dieser Region vermessen. Sie gelten als Schlüssel zur ganzen Bandbreite dynamischer Prozesse in der Sonnenatmosphäre. Dabei erreichen die Messdaten, die zu erwarten sind, eine bisher unerreichte Höhenauflösung: Präziser als zuvor lassen sich die Daten einer genauen Höhe über der Sonnenoberfläche zuordnen. „Die Höheninformation ist entscheidend, um die Prozesse in der Sonnenatmosphäre genau zu verstehen“, sagt Dr. Andreas Lagg vom MPS, Sunrise III-Projektmanager.
Möglich wird dieser einzigartige Blick durch die drei neuen wissenschaftlichen Instrumente von Sunrise III, die das Licht des Sunrise-Teleskops nutzen. Das Instrument SUSI (Sunrise UV Spectropolarimeter and Imager) wurde am MPS entwickelt und gebaut; das Instrument TuMag (Tunable Magnetograph) stellt ein spanisches Konsortium unter Leitung des Instituto de Astrofísica de Andalucía (IAA) zur Verfügung, das Instrument SCIP (Sunrise Chromospheric Infrared Spectro-Polarimeter) ein japanisches Konsortium unter Leitung des National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ). Das Leibniz-Institut für Sonnenphysik in Freiburg hat das System zur Bildstabilisierung entwickelt. Auch die fünf Meter hohe Gondel, sozusagen das Gerüst von Sunrise III, ist eine Neuentwicklung. Federführend beim Bau ist das Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins Universität in den USA.
Die einzelnen Teams arbeiten bereits an ihrem jeweiligen Beitrag. In den nächsten Monaten treten die Missionsvorbereitungen in ihre entscheidende Phase ein: nach und nach treffen alle Komponenten – Gondel, Instrumente und Bildstabilisierung – am MPS ein, um dort miteinander „verheiratet“ zu werden. Ende des Jahres soll das vollständige und funktionstüchtige Observatorium in Göttingen erstmals auf die Sonne blicken – allerdings noch erdgebunden durch die geöffnete Tür der Ballonhalle am MPS. Anfang 2022 reist Sunrise III, erneut in Teilsysteme zerlegt, nach Kiruna und wird dort auf den Start vorbereitet. Das Abenteuer beginnt erneut.