Erste Sonnenaufnahmen von Sunrise III

Die Messdaten des ballongetragenen Sonnenobservatoriums machen kleinste Details auf der Sonnenoberfläche sichtbar. 

17. Dezember 2024

Einen einzigartigen, etwa 200 Terabyte umfassenden Datensatz von der Sonne hat das ballongetragene Sonnenobservatorium Sunrise III im Juli dieses Jahres während seines sechseinhalbtägigen Stratosphärenfluges eingefangen. Erste, sorgfältig aufbereitete Bilder hat das Team heute veröffentlicht. Darin lassen sich an der sichtbaren Oberfläche der Sonne kleinste Strukturen von nur 50 Kilometern Größe erkennen. Die Sunrise III-Daten ermöglichen es, Prozesse auf der sichtbaren Oberfläche der Sonne und in ihrer unteren Atmosphäre in unerreichter Höhenauflösung ununterbrochen über mehrere Stunden zu verfolgen. Wie im gesamten zurückliegenden Jahr war die Sonne während des Forschungsflugs von Sunrise III besonders aktiv. Neben Sonnenflecken und dynamischen Magnetfeldern konnte das Observatorium so auch zwei Strahlungsausbrüche miterleben. Auch die Aufnahmen der Bordkamera sind nun ausgewertet. Sie dokumentieren eindrucksvoll das einzigartige Forschungsabenteuer an der Grenze zum Weltall.

Sechseinhalb Tage lang ununterbrochene und ungestörte Sicht auf unseren Stern – das bot der Forschungsflug des ballongetragenen Sonnenobservatoriums Sunrise III im Sommer dieses Jahres. Nach dem erfolgreichen Start am 10. Juli 2024 jenseits des Polarkreises in Schweden hob ein Heliumballon Sunrise III auf eine Höhe von mehr als 35 Kilometern. Für Sonnenforschende ist diese Beobachtungsposition optimal: Oberhalb der irdischen Luftmassen trüben keine Luftturbulenzen die Sicht; zudem hat Sunrise III von dort Zugang zur ultravioletten Strahlung von der Sonne. Da der Flug im Sommer am Polarkreis stattfand, bot die Mitternachtssonne die Möglichkeit, während der Reise ununterbrochen auf unseren Stern zu schauen. Stratosphärenwinde trugen das Observatorium nach Westen bis zur abenteuerlichen Landung in den kanadischen Nordwest-Territorien. Nur ein winziger Teil der riesigen Datenmenge, die das Bergungsteam etwa zwei Wochen später aus der Wildnis rettete, liegt bisher aufbereitet vor und kann bereits wissenschaftlich genutzt werden.

Die Datenmenge ist überwältigend: Etwa 200 Terabyte an Daten hat Sunrise III aufgenommen. Diese Flut Bild für Bild zu sichten, würde - die Bildrate üblicher Videos von 25 Bildern pro Sekunde angenommen - etwa einen Monat dauern. Um das volle Potential der Daten auszuschöpfen, müssen die Aufnahmen aufwändig aufbereitet werden. „Um Strukturen von nur 50 Kilometern Größe auf der Sonne sichtbar zu machen, treiben wir die Optik an die Grenzen des Machbaren. Das empfindliche System muss im Flug auf Haaresbreite justiert gehalten werden“, erklärt Sunrise III-Projektwissenschaftler Dr. Achim Gandorfer. „Im Flug korrigieren wir Abweichungen im Mikrometerbereich, hauptsächlich hervorgerufen durch unvermeidbare Temperaturschwankungen, in Echtzeit. Den letzten Feinschliff bekommen die Daten im Supercomputer“, fügt er hinzu. „Ausgeklügelte Algorithmen und monatelange Rechenzeit auf dem MPS Hochleistungscluster sind notwendig, um alle störenden Effekte aus allen Daten herauszurechnen“, ergänzt Dr. Tino Riethmüller, verantwortlicher Wissenschaftler für die Software von Sunrise III.

Detailscharfe Bilder

Die ersten, so bereinigten Aufnahmen zeigen Ausschnitte der sichtbaren Sonnenoberfläche und der darübergelegenen Chromosphäre wie nie zuvor. Das Ultraviolett-Spektropolarimeter SUSI, das unter Leitung des MPS entwickelt und gebaut wurde, fängt das für das menschliche Auge unsichtbare ultraviolette Licht der Sonnenoberfläche ein. Neben Sonnenflecken und ihren feinstrukturierten Rändern hat das Instrument das typische Muster auf- und absteigenden Plasmas, der so genannten Granulation, abgebildet. In den schmalen Grenzbereichen zwischen einzelnen Granulen leuchten in den Aufnahmen winzige, helle Flecken auf. Sie messen kaum mehr als 50 Kilometer im Durchmesser und gelten als die kleinsten Bausteine des Sonnenmagnetfeldes.

„Die Detailschärfe der Aufnahmen hat all unsere Erwartungen übertroffen“, so MPS-Wissenschaftler Dr. Alex Feller, Leiter des SUSI-Teams. Auf alltäglichere Maßstäbe übertragen entspricht sie der Fähigkeit, aus einer Entfernung von 50 Kilometern eine Ein-Euro-Münze auszumachen. „Sunrise III schafft es, auch die Magnetfelder und deren zeitliche Entwicklung über Stunden konstant mit dieser Detailgenauigkeit sichtbar zu machen“, ergänzt Dr. Feller. Das gelingt vor allem dadurch, dass Sunrise III nicht durch die wabernde Erdatmosphäre hindurch auf die Sonne blickt. Kein Teleskop auf der Erde kann diese Detailschärfe über Stunden halten.

Entscheidend für die hohe Qualität der Sunrise III-Daten waren auch das Bildstabilisierungssystem, das am Institut für Sonnenphysik (KIS) in Freiburg (Deutschland) entwickelt wurde, sowie die Fähigkeit der Gondel, während des Fluges selbst kleinste Schwankungen selbsttätig auszugleichen. Die Gondel ist der Beitrag des Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins University (Maryland, USA) zur Sunrise III-Mission. Diese Eigenschaften führen zu einem weiteren Alleinstellungsmerkmal von Sunrise III: punktgenauen und zeitgleichen Beobachtungen vom ultravioletten bis zum infraroten Bereich des Sonnenspektrums. „Sunrise III hat in weniger als einer Woche vermutlich den bisher komplettesten Datensatz der Sonne aufgenommen“, freut sich Dr. Andreas Korpi-Lagg, Projektleiter von Sunrise III.

Strahlungsausbrüche und veränderliches Magnetfeld

Die Sonne steuert derzeit auf ihr Aktivitätsmaximum zu und zeigte sich auch während des Fluges von Sunrise III von ihrer temperamentvollen Seite. So gelang es etwa, das Teleskop auf zwei Strahlungsausbrüche zu richten. Zudem zeigen Aufnahmen des Instrumentes TuMag entstehende und vergehende Sonnenflecken sowie Regionen, in denen die heißen Plasmaströme aus dem Innern der Sonne Magnetfelder an die Oberfläche spülen. TuMag wurde von einem spanischen Konsortium unter Leitung des Instituto de Astrofísica de Andalucía (Granada, Spanien) zur Verfügung gestellt. Das Infrarot-Spektropolarimeter SCIP spezialisiert sich auf die genaue Bestimmung der Plasmaströme und der Magnetfelder in der Chromosphäre. Es wurde vom National Astronomical Observatory Japans zur Mission beigesteuert. Oberhalb der Chromosphäre steigt die Temperatur der Sonne sprunghaft an: von etwa 10000 Grad bis auf eine Million Grad. In den heute veröffentlichten Aufnahmen sind oberhalb der Sonnenflecken langgezogene, fibrillenartige Strukturen zu sehen.

„Die neuen Daten von Sunrise liefern einen einzigartigen Blick auf die sichtbare Oberfläche der Sonne und die darüber gelegene Chromosphäre“, so MPS-Direktor Prof. Dr. Sami K. Solanki, Sunrise III-Missionsleiter. „Sie bieten uns die Möglichkeit, die Prozesse und Phänomene in allen Höhenschichten der Sonnenatmosphäre besser als je zuvor zu verstehen“, fügt er hinzu.

Das Instrument IRIS-2 war während des Fluges von Sunrise III auf der Gondel montiert und dokumentierte aus der „Selfie-Perspektive“ Start, Flug und Landung.<br> 

Sunrise III flight as seen by IRIS-2

Das Instrument IRIS-2 war während des Fluges von Sunrise III auf der Gondel montiert und dokumentierte aus der „Selfie-Perspektive“ Start, Flug und Landung.
 
https://www.youtube.com/watch?v=CKWAjiNBPxo

„Selfies“ während des Fluges

Ein weiteres, eindrucksvolles Andenken an den abenteuerlichen Flug von Sunrise III sind die Aufnahmen von IRIS-2, einem mit vier Kameras ausgestattetem Instrument eines spanischen Teams von Amateurastronomen. Es war während des Fluges auf der Gondel montiert und dokumentierte aus der „Selfie-Perspektive“ Start, Flug und Landung. Der komplett schwarze Himmel direkt neben der Sonne ist ein eindrucksvoller Beleg für die weltraumähnlichen Beobachtungsbedingungen in der Stratosphäre.

Über die Mission

Das ballongetragene Sonnenobservatorium Sunrise III ist eine Mission des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS, Deutschland). Sunrise III blickt mit Hilfe eines 1-Meter-Teleskops, dreier wissenschaftlicher Instrumente und eines Systems zur Bildstabilisierung aus der Stratosphäre auf die Sonne. Maßgeblich Mitwirkende an der Mission sind das Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins Universität (APL, USA), ein spanisches Konsortium, das National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ, Japan), und das Institut für Sonnenphysik (KIS, Deutschland). Das spanische Konsortium wird geleitet vom Instituto de Astrofísica de Andalucía (IAA, Spanien) und besteht zudem aus dem Instituto Nacional de Técnica Aeroespacial (INTA), der Universitat de València (UV), der Universidad Politécnica de Madrid (UPM) und dem Instituto de Astrofísica de Canarias (IAC). Weitere Partner sind das Wallop’s Flight Facility Balloon Program Office (WFF-BPO) der NASA und die Swedish Space Corporation (SSC).

Sunrise III wird unterstützt von der Max-Planck-Förderstiftung, der NASA im Rahmen der Grants #80NSSC18K0934 und #80NSSC24M0024 ("Heliophysics Low Cost Access to Space"-Programm) sowie dem ISAS/JAXA Small Mission-of-Opportunity-Programm und JSPS KAKENHI JP18H05234. Die spanischen Beiträge wurden vom spanischen MCIN/AEI im Rahmen der Projekte RTI2018-096886-B-C5 und PID2021-125325OB-C5 sowie von "Center of Excellence Severo Ochoa"-Preisen an das IAA-CSIC (SEV-2017-0709, CEX2021-001131-S) finanziert, die alle von den europäischen REDEF-Fonds "A way of making Europe" kofinanziert wurden.

 

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