Auszeichnung für MPS-Direktor

Für seine wegweisenden Beiträge zur Sonnenforschung erhält Prof. Dr. Sami K. Solanki den Zdenĕk Švetska Senior Prize.

28. Oktober 2024

Die Abteilung für Sonnenphysik der Europäischen Physikalische Gesellschaft (EPS) hat Prof. Dr. Sami K. Solanki, Direktor am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS), mit dem Zdenĕk Švetska Senior Prize geehrt. Die Auszeichnung würdigt die führende Rolle, die der Göttinger Wissenschaftler seit Jahrzehnten in der Sonnenforschung einnimmt. Solanki hat sein Forschungsfeld in dieser Zeit nicht nur durch bedeutende Erkenntnisse zu Magnetismus und Aktivität der Sonne bereichert, sondern auch entscheidende Weltraummissionen maßgeblich mitgestaltet und vorangetrieben. Zudem ist er Leiter der Ballonmission Sunrise, die seit 2009 drei erfolgreiche Stratosphärenflüge absolviert und so einzigartige Messdaten von der Sonne eingefangen hat.
 

Wer die Geheimnisse der Sonne entschlüsseln will, muss genau hinschauen: auf Mini-Strahlungsausbrüche in ihrer Atmosphäre ebenso wie auf gewaltige Sonneneruptionen; auf kleinste Strukturen ihres Magnetfeldes ebenso wie auf riesige Sonnenflecken, dunkle Gebiete mit extrem hoher magnetischer Feldstärke; auf Veränderungen, die sich innerhalb von Sekunden und Minuten vollziehen ebenso wie auf deutlich langsamere Rhythmen in der Aktivität unseres Sterns, die Jahrzehnte und sogar Jahrhunderte überspannen. Um zu verstehen, wie all diese Phänomene entstehen und in ihrer Gesamtheit das Wesen unseres dynamischen Sterns ausmachen, braucht es eine anspruchsvolle Forschungsinfrastruktur: leistungsstarke Sonnenteleskope auf der Erde, Raumsonden mit hochspezialisierten Instrumenten und Ballonmissionen. Mit dem Zden?k Švetska Senior Prize würdigt die EPS unter anderem Solankis fortwährenden Einsatz, solche Infrastruktur-Projekte anzustoßen, mitzugestalten und voranzutreiben.

Ein Blick auf die Sonne, in die Vergangenheit und tief ins All

Einer der abenteuerlichsten Beiträge zur aktuellen Sonnenforschung ist die Mission Sunrise. Das ballongetragene, etwa sieben Meter hohe Sonnenobservatorium hat unter der Leitung Solankis im vergangenen Sommer seinen dritten Forschungsflug durch die Stratosphäre erfolgreich gemeistert. Getragen von einem riesigen Heliumballon genießt es in luftiger Höhe einen unverstellten Blick auf die Sonne, ganz ohne die störende Luftturbulenzen in der darunter liegenden Atmosphäre. Auf diese Weise hat Sunrise die bisher detailliertesten Daten aus der Region von knapp unterhalb der sichtbaren Oberfläche der Sonne bis zu einer Höhe von etwa 2000 Kilometern darüber eingefangen. Die große Menge einmaliger Daten wird aktuell ausgewertet.

Ein ganz anderer Blick auf unser Zentralgestirn bietet sich der ESA-Raumsonde Solar Orbiter, an der das MPS mit vier wissenschaftlichen Instrumenten beteiligt ist. Unter der Führung Solankis ist der Polarimetric und Helioseismic Imager (PHI) entstanden, der unter anderem das Magnetfeld an der sichtbaren Oberfläche vermisst. Seit Februar 2020 umrundet Solar Orbiter unseren Stern auf langgezogenen Ellipsen und wagt sich so immer wieder auf nur ein Drittel des Abstandes zwischen Erde und Sonne an den Feuerball heran. Aus dieser Beobachtungsposition sind in den vergangenen Jahren die bisher höchstaufgelösten Aufnahmen der Korona, der äußeren Atmosphäre der Sonne, gelungen. Sie zeigen unter anderem, dass dort kleinste Strahlungsausbrüche, sogenannte campfires, deutlich häufiger auftreten als bisher angenommen. Messdaten von PHI deuten erstmals auf ihren Ursprung: kleine, eng benachbarte Regionen entgegengesetzter magnetischer Polarität an der Sonnenoberfläche. Wenn sich diese umstrukturieren, entlädt sich die freiwerdende Energie - und trägt so zur Aufheizung der mehr als eine Million Grad heißen Korona bei.

„Mit den aktuellen Missionen wie Solar Orbiter und Sunrise III haben wir die Möglichkeit, genauer als je zuvor zu verstehen, wie das Magnetfeld der Sonne ihre Aktivität antreibt und formt“, so Solanki.

Dass ein tieferes Verständnis der solaren Aktivität auch für den reibungslosen Betrieb irdischer Infrastruktur wichtig ist, hat die Sonne in diesem Jahr eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Im Mai und Anfang Oktober kam es zu so starken Sonneneruptionen, dass Polarlichter sogar über Göttingen zu sehen waren. Im ungünstigsten Fall können solche Sonnenstürme auch für Satelliten und Stromnetze zur Gefahr werden. Um Ereignisse dieser Art in Zukunft besser vorhersagen zu können, soll die ESA-Raumsonde Vigil ab 2027 im Weltraum Wache halten und frühzeitig warnen. Am MPS entsteht aktuell der Photospheric Magnetic Field Imager (PMI) für die Mission.

Die Forschung Solankis stellt unsere Sonne zudem in einen größeren Kontext. „Selbst die besten Teleskope auf der Erde oder im All bieten uns lediglich eine Momentaufnahme unseres Sterns, einen winzigen Ausschnitt aus seinem seit Milliarden von Jahren währenden Dasein“, so der Forscher. Um zu verstehen, zu welchem Verhalten die Sonne prinzipiell fähig ist, schaut Solanki in die Vergangenheit unseres Sterns. So erlauben etwa genaue Untersuchungen der Baumringe jahrhundertealter Bäume einzuschätzen, wie dynamisch und aktiv unser Stern in Vorzeiten war. Ebenfalls hilfreich ist ein Blick auf die „Peergroup“ unseres Sterns, die große Kohorte sonnenähnlicher Sterne. Eine Forschergruppe um Solanki konnte zeigen, dass unsere Sonne aktuell zu den eher zahmeren Vertretern ihrer Art zählt.

Über Preisträger und Preis

Solankis Forschung und Lehrtätigkeit prägen das Feld der Sonnenforschung seit Jahrzehnten. So ist Solanki Autor von mehr als 600 wissenschaftlichen Veröffentlichungen und hat mehr als 44 Doktorand*innen betreut und zur Promotion geführt. Zudem ist er seit 22 Jahren Sprecher der International Max Planck Research School for Solar System Science (kurz: „Solar System School“), die in Zusammenarbeit mit der Universität Göttingen und der TU Braunschweig  Nachwuchsforscher*innen im Rahmen eines strukturierten Promotionsstudiengangs zur Promotion führt. 

Sami K. Solanki hat an der ETH Zürich studiert und promoviert. In den folgenden Jahren führten ihn Forschungsaufenthalte an die St. Andrews Universität in Schottland, zurück zur ETH und an die Universität von Oulu in Finnland. Seit 1999 ist Solanki Direktor am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, das damals noch den Namen Max-Planck-Institut für Aeronomie trug. 2009 wurde er von der Kyung Hee Universität in Südkorea zum Distinguished Professor ernannt. Zu den zahlreichen Ehrungen Solankis zählen der George Ellery Hale Preis der Amerikanischen Astronomischen Gesellschaft (2022), die Ehrendoktorwürde der Universität Oulu (2017), der Distinguished Scientist Award of the Scientific Committee on Solar-Terrestrial Physics (2016) sowie die Julius Bartels Medaille der European Geosciences Union (2015).

Mit dem Zdenĕk Švetska Senior Prize ehrt die Abteilung für Sonnenphysik der Europäischen Physikalischen Gesellschaft alle drei Jahre Forscher*innen, die im Laufe ihrer gesamten wissenschaftlichen Laufbahn das Forschungsfeld der Sonnenphysik nachhaltig geprägt haben. Der Preis ist benannt zu Ehren des tschechischen Sonnenforschers Zdenĕk Švetska, der in den der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts wichtige Grundlagen für die Erforschung solarer Strahlungsausbrüche gelegt hat.

 

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht