Das Herz des größten Sonnenteleskops beginnt zu schlagen

First Light! Das Spektro-Polarimeter des weltweit größten Sonnenteleskops auf Hawaii schaut erstmals auf die Sonne. Das Instrument wurde in Deutschland entwickelt.

24. April 2025

Das weltgrößte Sonnenteleskop, das U.S. National Science Foundation (NSF) Daniel K. Inouye Solar Telescope auf Hawaii, hat einen wichtigen Meilenstein erreicht. Nach fast 15-jähriger Vorbereitungszeit hat das deutsche Instrument Visible Tunable Filtergraph (VTF) jetzt erste Aufnahmen gemacht. Das bildgebende Spektro-Polarimeter wurde am Institut für Sonnenphysik (KIS) in Freiburg entwickelt und gebaut. Das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen ist Partner des Projektes. Die jetzt veröffentlichten Daten entstanden bei der technischen Inbetriebnahme des Instruments. VTF wertet das vom Inouye Solar Telescope eingefangene Sonnenlicht so detailliert wie nie zuvor aus und entlockt ihm unter anderem Informationen zur Strömungsgeschwindigkeit des Sonnenplasmas und zur Magnetfeldstärke an der sichtbaren Oberfläche der Sonne und in den direkt oberhalb angrenzenden Gasschichten. Bereits in der jetzigen technischen Testphase macht VTF kleinste Strukturen sichtbar. Im späteren wissenschaftlichen Betrieb, wenn die Daten aufwändig nachbearbeitet werden, wird sich die Auflösung weiter verbessern.

Mit einem Hauptspiegeldurchmesser von vier Metern ist das Inouye Solar Telescope das größte weltweit. Dank der optimalen Beobachtungsbedingungen auf dem hawaiianischen Vulkan Haleakala und durch Einsatz ausgeklügelter Methoden der Bildstabilisierung und -rekonstruktion gelingt so seit 2022 ein atemberaubend detailscharfer Blick auf unseren Stern: das Inouye Solar Telescope kann kleinste Strukturen sichtbar machen. Um dem Sonnenlicht möglichst viele und genaue Informationen über unseren Stern zu entlocken, wird das Teleskop nach und nach mit zusätzlichen wissenschaftlichen Instrumenten ausgerüstet. Sie verarbeiten das einfallende Licht weiter, indem sie beispielsweise einzelne Wellenlängenbereiche oder Schwingungsrichtungen des Lichtes getrennt untersuchen. Vier der insgesamt fünf Instrumente sind bereits in Betrieb. Der neuste Zuwachs, das weltweit größte Spektro-Polarimeter VTF, ist das leistungsfähigste von ihnen. Im Rahmen der technischen Inbetriebnahme sind jetzt mit VTF erste Aufnahmen der Sonne gelungen. Forschende bezeichnen diesen Meilenstein als technisches First Light.

„Das Inouye Solar Telescope wurde entwickelt, um die grundlegenden physikalischen Vorgänge der Sonne als treibende Kraft des Weltraumwetters zu untersuchen. Mit diesem Ziel vor Augen ist das Inouye-Teleskop die ideale Plattform für ein beispielloses und bahnbrechendes Instrument wie das VTF“, so Christoph Keller, Direktor des amerikanischen National Solar Observatory, das das Inouye Solar Telescope betreibt.

Ein Blick auf das dynamische Wesen der Sonne

Ziel des VTF-Teams ist es, das dynamische Wesen unseres Sterns besser zu verstehen. Immer wieder kommt es auf der Sonne zu gewaltigen Eruptionen, die Teilchen und Strahlung ins All schleudern. Auf der Erde kann dieses solare Bombardement einerseits spektakuläre Polarlichter auslösen, andererseits aber technische Infrastruktur und Satelliten stören. Mit VTF blickt das Inouye Solar Telescope so präzise wie nie zuvor in die Region der Sonne, in der die Eruptionen entstehen: auf die sichtbare Oberfläche der Sonne, die Photosphäre, und die darüber angrenzende Schicht der Sonnenatmosphäre, die Chromosphäre. Das komplexe Zusammenspiel aus heißen Plasmaströmen und veränderlichen Magnetfeldern dort birgt den Schlüssel zu einem besseren Verständnis der Vorgänge, die Eruptionen auslösen. VFT kann entscheidende Eigenschaften wie Strömungsgeschwindigkeit des Plasmas, Magnetfeldstärke, Druck und Temperatur bestimmen. 

Koloss mit Durchblick

„Die Inbetriebnahme von VTF stellt einen maßgeblichen, technologischen Fortschritt für das Inouye Solar Telescope dar. Das Instrument ist sozusagen das Herz des Sonnenteleskops, das nun endlich an seinem endgültigen Bestimmungsort schlägt“, so Matthias Schubert, VTF-Projektwissenschaftler am KIS.

VTF ist ein wahrer Koloss. Mit einem Gewicht von 5,6 Tonnen und einer Grundfläche, die in etwa der einer kleinen Garage entspricht, nimmt es zwei Stockwerke ein. In den vergangenen Jahren wurde es am Leibniz-Institut für Sonnenphysik in Freiburg entwickelt; Anfang vergangenen Jahres begann der Einbau vor Ort am Inouye Solar Telescope. Die gesamte Entwicklungszeit betrug etwa 15 Jahre, fast so lange wie die des Sonnenteleskops selbst.

Aufgabe von VFT ist es, die Sonne in der höchstmöglichen räumlichen, zeitlichen und spektralen Auflösung abzubilden. Um einzelne, sehr schmale Wellenlängenbereiche aus dem einfallenden sichtbaren Sonnenlicht gezielt herauszufiltern, nutzt das Instrument zwei Fabry-Pérot-Interferometer, die in ihrer Größe und Präzision weltweit einzigartig sind. Auf diese Weise gelingt es, das Sonnenlicht spektral mit einer Genauigkeit von wenigen Pikometern abzurastern. Zusätzlich wählt VTF einzelne Polarisationszustände, also Schwingungsrichtungen des Lichtes, aus. Pro Wellenlänge und Polarisationszustand entstehen dann zweidimensionale Abbildungen der Sonne, aus denen sich Temperastur, Druck, Geschwindigkeit und Magnetfeldstärke in verschiedenen Höhen der Sonne bestimmen lassen. Die Messdaten erreichen eine räumliche Auflösung von etwa 10 Kilometern pro Pixel und eine zeitliche Abfolge von hunderten Aufnahmen pro Sekunde.

„VTF ermöglicht Aufnahmen bisher unerreichter Qualität und läutet so eine neue Phase der erdgebundenen Sonnenbeobachtung ein“, so Sami K. Solanki, Direktor am MPS.

Ein erster Blick

Die jetzt veröffentlichte Aufnahme nutzt Sonnenlicht der Wellenlänge 588,9 Nanometer. In dem etwa 25 000 Kilometer mal 25000 Kilometer großen Ausschnitt der Sonnenoberfläche zeigt sie einen dunklen Sonnenfleck mit seinem feinstrukturierten Randbereich. Sonnenflecke überziehen die Oberfläche der Sonne mal mehr, mal weniger häufig. Sie gehen mit besonders starken Magnetfeldern einher, die verhindern, dass heißes Plasma aus dem Innern der Sonne aufsteigt. Die Aufnahme erreicht eine räumliche Auflösung von 10 Kilometern pro Pixel.

Über Teleskop und Instrument

Das Daniel K. Inouye Solar Telescope wird vom amerikanischen National Solar Observatory (NSO) betrieben und von der amerikanischen National Science Foundation (NSF) finanziert. Das Spectro-Polarimeter Visible Tunable Filtergraph (VTF) wurde vom Institut für Sonnenphysik (KIS) in Freiburg entwickelt und gebaut. Partner des Projektes sind das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen und das Istituto ricerche solari Aldo e Cele Daccò (IRSOL) in der Schweiz.

 

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