Dissertationspreis des Unibundes für Helge Mißbach
In seiner Doktorarbeit prüfte Helge Mißbach, ob und wie sich die Überreste einstigen Lebens auf dem Mars aufspüren lassen. Falls es sie überhaupt gibt…
Warme Temperaturen, Wasser in Flüssen und Seen – vor etwa 4000 Millionen Jahren gab es auf dem heutigen Wüstenplaneten Mars möglicherweise vereinzelte Stellen, die recht angenehme Umweltbedingungen boten. So angenehm, dass in diesen „Oasen“ primitives Leben hätte entstehen können. Gab es also einst Mikroorganismen auf unserem Nachbarplaneten? Und wenn ja, könnten wir deren Überreste heute, nach so langer Zeit überhaupt als solche erkennen? Dieser Frage ist Dr. Helge Mißbach in seiner Doktorarbeit am Geowissenschaftlichen Zentrum der Georg-August-Universität Göttingen und dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) nachgegangen, die der Universitätsbund Göttingen e.V. nun als eine von drei Arbeiten ausgezeichnet hat. Sein Fazit: Falls es einst Leben auf dem Mars gab, könnten Spuren davon noch immer erhalten sein und sich mit geeigneten Instrumenten aufspüren lassen.
Ein solches Instrument tritt schon bald die Reise zum Roten Planeten an. Im Sommer nächsten Jahres startet die Mission ExoMars der europäischen Weltraumagentur ESA zum Mars. Die mitgeführte Landeeinheit soll am 19. März 2021 dort aufsetzen. Mit an Bord befindet sich der Mars Organic Molecule Analyzer (MOMA), der unter Leitung des MPS entwickelt wurde. Er soll – ferngesteuert von der Erde – organische Moleküle im Marsboden identifizieren.
„Speziell sind wir auf der Suche nach so genannten Biomarkern“, erklärt Dr. Helge Mißbach. Dies sind organische Verbindungen, die sich auf einstiges Leben zurückführen lassen. Ein Beispiel für solche Biomarker sind bestimmte Lipide. Als Bestandteil von Zellwänden sind sie auf der Erde fast allgegenwärtig. Zudem gelten Sie als recht robust; auf der Erde sind sie mancherorts in 3,5 Milliarden Jahre altem Gestein erhalten.
Um zu prüfen, ob diese Art der „Konservierung“ auch auf dem Mars möglich wäre, setzte Mißbach in seinen Experimenten organisches Material aus irdischen Gesteinen im Labor extremen Bedingungen aus. „Besonders auf dem frühen Mars ist es wahrscheinlich zu vielen Einschlägen von Meteoriten und zu heftigen Vulkanausbrüchen gekommen“, so Mißbach. Die hohen Temperaturen und Drücke, die dabei entstanden sein müssen, simulierte Mißbach im Experiment. Verändern sich die Lipide unter diesen Bedingungen? Vielleicht sogar bis zur Unkenntlichkeit?
„Für eine begrenzte Zeit von etwa hundert Tagen können die Biomarker Temperaturen von 300 Grad überstehen“, fasst Mißbach seine Ergebnisse zusammen. Erst bei höheren Temperaturen werden sie zerstört. Es besteht also durchaus Hoffnung, dass MOMA viele Millionen Jahre alte Lipide aufspüren kann.
Allerdings stellt sich ein weiteres Problem: Lipide kommen nicht nur in Lebewesen vor; sie können auch abiotisch, also völlig ohne das Zutun von Leben, entstehen. Wäre MOMA in der Lage zwischen beiden Sorten zu unterscheiden? Um diese Frage zu klären, verglich Mißbach abiotisch hergestellte Lipide mit solchen, die sich als Überreste von Leben in irdischen Gesteinen finden. Dabei zeigten sich deutliche Unterschiede. Im abiotischen Fall entstehen Kohlenstoffketten verschiedenster Längen, wobei die kürzeren häufiger auftreten. Im biotischen Fall hingegen stechen einzelne Kettenlängen, die typischerweise an bestimmten biochemischen Reaktionen beteiligt sind, deutlich hervor. Aus der Gesamtheit der gefundenen Moleküle lässt sich somit auf ihren Ursprung schließen.
„Insgesamt unterstreichen die Ergebnisse, dass MOMA auf dem Mars Biomarker als solche identifizieren könnte“, so Mißbach. Ob es solche Biomarker – und mit ihnen Hinweise auf frühes Leben auf dem Mars ? an der Landestelle tatsächlich gibt, lässt sich allerdings erst ab 2021 nach der Landung von ExoMars klären.
Dr. Helge Mißbach hat an der Georg-August-Universität Göttingen Geowissenschaften studiert. Von 2015 bis 2018 promovierte er im Rahmen der International Max Planck Research School for Solar System Science at the University of Göttingen.
Der Universitätsbund Göttingen e.V. verleiht den Dissertationspreis jährlich an junge Forscherinnen und Forscher, die mit ausgezeichneten Doktorarbeiten an der Georg-August-Universität Göttingen promoviert haben. Mit dem Dissertationspreis für 2018 wurden am 26. Oktober 2019 drei Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler geehrt. Neben Dr. Helge Mißbach erhielten die Biologin Dr. Johanna Eckert und die Philologin Dr. Maren Elisabeth Schwab die Auszeichnung.