Mars-Mission InSight verlängert
Vor etwas mehr als zwei Jahren, am 26. November 2018, setzte die NASA-Sonde InSight auf dem Mars auf. Es ist die erste Mission, die speziell die geophysikalischen Eigenschaften unseres Nachbarplaneten bestimmen soll wie etwa den inneren Aufbau oder den Wärmefluss aus dem Innern. Zu diesem Zweck ist die Landeeinheit mit drei wissenschaftlichen Experimenten ausgestattet. Zu einem davon, dem Seismometer SEIS, hat das MPS Hardware beigetragen. Zudem beteiligen sich MPS-Wissenschaftler an der Auswertung der Messdaten. Jetzt ist die Marsmission um zwei weitere Jahre verlängert worden.
Im Interview blicken die MPS-Wissenschaftler Prof. Dr. Ulrich Christensen und Dr. John-Robert Scholz, beide Mitglieder des SEIS-Teams, zurück auf die ersten beiden Missionsjahre, sprechen über die seismischen Eigenheiten des Mars und berichten von der Arbeit des „Marsquake Service“.
Die InSight-Mission war ursprünglich für zwei Jahre geplant. Jetzt ist sie um weitere zwei verlängert worden. Wie geht es der Landeeinheit? Wird sie ebenso lange durchhalten wie einige ihrer langlebigen Vorgänger? Der NASA-Rover Curiosity etwa ist bereits seit mehr als acht Jahren auf dem Mars unterwegs.
Christensen: InSight geht es bisher gut. Es gibt durchaus Grund zu hoffen, dass die Landeeinheit weitere zwei Jahre durchhält. Andernfalls hätte die NASA die Mission nicht verlängert. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es aber nicht. Schließlich sind die Bedingungen auf dem Mars mit Tiefsttemperaturen um -85 Grad Celsius und heftigen Sandstürmen extrem. In welchem Zustand InSight in zwei Jahren sein wird, lässt sich deshalb nicht sagen.
Scholz: Bei Landemissionen auf dem Mars ist oftmals die Energieversorgung ein Thema, auch bei InSight. Die Mission setzt ausschließlich auf Solarpaneele. Diese gelten als Energiequelle, die keinerlei Erschütterungen in der Landeeinheit erzeugen. Das ist wichtig für die seismischen Messungen. Allerdings legt sich nach und nach Marsstaub auf die Paneele; ihre Effizienz nimmt dann ab. Ab wann das kritisch wird, ist schwer zu sagen. Zwar hat InSight einen fast baugleichen Vorgänger, die Marssonde Phoenix. Doch Phoenix ist 2008 nicht wie InSight in Äquatornähe, sondern unweit des Nordpols gelandet und hat ihren ersten Marswinter, wie erwartet, nicht überstanden. Es gibt also keine langjährigen Erfahrungen mit dieser speziellen Art der Landeeinheit.
Seit zwei Jahren zeichnet SEIS die Beben auf dem Mars auf. Das entspricht in etwa einem Marsjahr. Erste Erkenntnisse zur seismischen Aktivität des Mars hatte das SEIS-Team bereits Anfang 2020 veröffentlicht. Damals hieß es, dass es auf dem Mars etwa alle zwei Tage zu einem schwachen Beben kommt. Hat sich dieses Bild bestätigt?
Scholz: Nein, überhaupt nicht. Der Mars ist spürbar ruhiger geworden. Seit diesem Sommer registrieren wir nur noch ganz, ganz selten Marsbeben. Wir gehen davon aus, dass dies ein jahreszeitlicher Effekt ist. Das bedeutet, dass der Mars auf seiner Umlaufbahn um die Sonne eine seismische aktive und eine seismisch ruhige Phase durchlebt. Wir erwarten, dass die Häufigkeit der Beben ab etwa Februar nächsten Jahres wieder zunimmt. Die Verlängerung der Mission um ein weiteres Marsjahr ist auch deshalb von besonderer Bedeutung. Nur wenn wir unsere Messungen mindestens ein weiteres Marsjahr lang durchführen, können wir unsere Theorie überprüfen.
Warum sollte die seismische Aktivität von der Jahreszeit abhängen? Können Sie diesen Zusammenhang erläutern?
Christensen: Das mag zunächst merkwürdig erscheinen. Auf der Erde gibt es diesen Effekt nicht, wohl aber auf dem Mond. Auf der Erde lösen vor allem Spannungen, die sich an der Grenze tektonischer Platten aufbauen, Erdbeben aus. Auf dem Mars – und auf dem Mond – ist das anders. Plattentektonik gibt es dort nicht. Spannungen entstehen in erster Linie durch das Abkühlen dieser Körper. Wie es scheint, braucht es einen Anstoß oder Trigger, damit sich diese Spannungen lösen und es zu einem Beben kommt. Dabei können auf dem Mars mit seinen ausgeprägten Jahreszeiten thermische Effekte durchaus eine Rolle spielen. Auf dem Mond sind hingegen die Gezeitenkräfte ausschlaggebend.
Eines der Ziele der InSight-Mission ist es, den inneren Aufbau des Mars zu bestimmen, also die Dicke und Zusammensetzung der einzelnen inneren Schichten. Gibt es dazu bereits Erkenntnisse?
Scholz: Wie wir erwartet hatten, fallen Marsbeben eher schwach aus. Starke Beben, deren Wellen tief durch das Innere des Planeten laufen, treten nur sehr selten auf. Das macht unsere Arbeit schwerer. In der Zwischenzeit hat es jedoch Beben gegeben, denen sich Informationen über die äußere Schicht, die Kruste, entnehmen lassen. Die Auswertungen dauern noch an.
Christensen: Die Kolleginnen und Kollegen, die das Instrument RISE betreiben, arbeiten zudem daran, aus der taumelnden Kreiselbewegung, die der Mars auf seiner Umlaufbahn um die Sonne vollführt, auf die Eigenschaften des Planetenkerns zu schließen. Wir kommen also Schritt für Schritt weiter.
Bekannt ist, dass der Mars wie die Erde aus einem Kern, einem Mantel und einer Kruste besteht. Warum ist es wichtig zu wissen, genau wie Dick diese einzelnen Schichten sind?
Christensen: Der Mars, den wir heute erleben, ist nur eine Momentaufnahme in einer langen, langen Entwicklung. Diese Entwicklung interessiert uns. Wir möchten verstehen, warum sich der Mars, der der Erde in der Tat in vielen Eigenschaft ähnelt, so anders entwickelt hat als unser Planet. Warum besitzt er heute kein eigenes Magnetfeld mehr? Warum gibt es heute keine tektonische Platten? Es gibt verschiedene Modelle, die beschreiben, wie der Mars zu dem Planeten wurde, der er heute ist. Diese Modelle sagen bestimmte Dicken und Zusammensetzungen der heutigen Marsschichten voraus. So ist es etwa denkbar, dass der Mars für kurze Zeit in seiner Geschichte Plattentektonik aufwies. Dann wäre seine Kruste heute recht dünn. Andere Szenarien, in denen Konvektion oder ein innerer Ozean aus Magma eine Rolle spielen, führen zu anderen Krustendicken. Indem wir diese Eigenschaft nun im Experiment bestimmen, erfahren wir, welche Modelle zutreffen könnten und welche nicht in Frage kommen.
Seit InSight die Beben auf dem Mars misst, gibt es den sogenannten Marsquake Service. Wie sieht der Arbeitsalltag beim einzigen „Marsbeben-Dienst“ aus?
Scholz: Der Marsquake Service ist eine zehnköpfige, internationale Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des SEIS-Teams. Ihre Aufgabe besteht darin, die seismischen Daten vom Mars aufzubereiten und dem gesamten SEIS-Team für verschiedene Forschungsprojekte zur Verfügung zu stellen. Um uns die Arbeit aufzuteilen, arbeiten wir in Schichten: Jeder ist etwa alle vier Wochen für drei Tage an der Reihe. Konkret heißt das, dass ich in dieser Zeit morgens als allererstes auf die neuen SEIS-Daten vom Mars schaue. Zunächst prüfe ich, ob diese auf ein Problem mit dem Instrument deuten. Wenn es in dieser Hinsicht nichts zu beanstanden gibt, identifiziere ich etwaige Beben und klassifiziere sie. Dabei geht es beispielsweise darum, welche Art von Wellen das Beben ausgelöst hat und wie stark es war. Diese Informationen gebe ich dann ans Team weiter.
Wie unterschiedet sich die Arbeit eines Mars-Seismologen von der eines Seismologen, der Erdbeben erforscht?
Christensen: In mancher Hinsicht ist Mars-Seismologie ungleich komplizierter. Das liegt zum einen am Mars selbst und zum anderen an unserer Messsituation. Wie bereits erwähnt, sind die Marsbeben sehr schwach. Man versucht deshalb Informationen aus Beben herauszukitzeln, mit denen man sich auf der Erde kaum abgeben würde. Zudem arbeitet SEIS allein und nicht wie irdische Seismometer im Verbund.
Scholz: Für den Mars braucht es deswegen zum Teil ganz andere mathematische und numerische Methoden. In gewisser Hinsicht müssen wir für den Mars die Seismologie ein Stück weit neu erfinden. Dabei profitieren wir aber natürlich von den Grundlagen, die vor mehr als hundert Jahren – übrigens zum Teil hier in Göttingen – gelegt wurden.
InSight ist mit drei wissenschaftlichen Instrumenten ausgerüstet. Eines davon, die Wärmefluss-Sonde HP3, konnte nicht wie geplant in Betrieb genommen werden und hat noch immer Probleme. Was ist dort los?
Christensen: Das Herzstück von HP3 ist eine thermische Sonde, die sich bis zu fünf Meter in den Marsboden hämmern soll. So soll sie messen, wieviel Wärme aus dem Marsinnern entweicht. Leider hat das bisher nicht funktioniert. Offenbar bietet der Marsboden an dieser Stelle nicht genug Reibung. Das führt dazu, dass die Sonde nach jedem Hammerschlag wieder zurückspringt. Das HP3-Team hat zusammen mit den NASA-Kolleginnen und -Kollegen gute Ideen entwickelt, wie sich das Problem lösen lässt. So wird beispielsweise der Greifarm von InSight eingesetzt um zu helfen. Er war eigentlich hauptsächlich dazu gedacht, die Instrumente SEIS und HP3 auf dem Marsboden auszusetzen. Nun wird er unter anderem benutzt, um gegen die Wärmesonde zu drücken, damit sie nicht zurückspringen kann. So ganz ist das Problem aber wohl noch nicht gelöst. Ich finde es aber sehr beeindruckend, mit wieviel Hartnäckigkeit und Ideenreichtum die Kolleginnen und Kollegen vorgehen. Ich wünsche ihnen sehr, dass es klappen wird, die Sonde an ihren Einsatzort zu bringen.
Eine so genannte sample return mission gilt vielen als nächster wichtiger Schritt in der Marsforschung. Gemeint ist eine Mission, die eine Gesteinsprobe vom Mars zurück zur Erde bringt. Hier könnte sie viel umfassender untersucht werden als vor Ort auf dem Mars. Ist eine solche Mission auch für Ihre Forschung von Bedeutung?
Christensen: Prinzipiell haben wir ja bereits Marsgestein auf der Erde in Form von Marsmeteoriten. Von ihnen wissen wir schon einiges über die chemische Zusammensetzung von Marsgestein. Das sind auch für unsere Überlegungen wichtige Informationen. So geht etwa die chemische Zusammensetzung als Randbedingung in viele geophysikalische Modelle ein. Weitere Proben würden das bisherige Bild wertvoll ergänzen und verfeinern. Sie hätten zudem den großen Vorteil, dass wir ihren Ursprungsort auf dem Mars kennen. Das ist bei Meteoriten natürlich nicht der Fall.