Ausgezeichnete Nachwuchsforschende

Drei Otto-Hahn-Medaillen gehen in diesem Jahr an Göttinger Nachwuchsforscher*innen.

12. Juni 2024

Die Wissenschaftler*innen Yuto Bekki vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung sowie Ida Marie Astad Jentoft und Panagiotis Poulis vom Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften erhalten die Otto-Hahn-Medaille für herausragende Leistungen in ihren Dissertationen. Jentoft wird zudem für die besondere Qualität ihrer Forschung mit dem Otto Hahn Award geehrt. Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) vergab die Preise im Rahmen ihrer Jahresversammlung am 12. Juni in Berlin.

Schwingende Sonne

Die Sonne schwingt ähnlich wie ein Musikinstrument. Neben den „hohen Tönen“ der Sonne, akustischen Wellen mit Perioden von etwa fünf Minuten, zeigt unser Stern auch „tiefe Töne“: Schwingungen mit Perioden von etwa 27 Tagen, die nicht akustischer Natur sind. Obwohl diese Schwingungen schon vor Jahrzehnten theoretisch vorhergesagt wurden, haben Forschende am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung sie in Messdaten der NASA-Raumsonde Solar Dynamics Observatory erst kürzlich aufgespürt.

Zu dieser Entdeckung hat Yuto Bekki in seiner Doktorarbeit maßgeblich beigetragen. Die einzelnen Moden (oder „Töne“) der langperiodischen Schwingungen unterscheiden sich durch ihre genaue Schwingungsperiode und durch das Muster ihrer Strömungsgeschwindigkeit an der Sonnenoberfläche. In seiner Doktorarbeit hat Yuto Bekki Computersimulationen entwickelt, diese Moden zu identifizieren und zu charakterisieren. Die langperiodischen Schwingungen der Sonne enthalten Informationen über ihr tiefes Inneres und können in Zukunft helfen, die Vorgänge dort besser zu verstehen.

Yuto Bekki hat an der Universität von Tokio (Japan) studiert und sich bereits in seiner Bachelorarbeit mit Fragen der Sonnenphysik beschäftigt. Seine Masterarbeit würdigte die Universität Tokio mit dem Academic Achievement Award aus. Yuto Bekki hat im Rahmen der International Max Planck Research School on Solar System Science an der Universität Göttingen promoviert. Auch seine Doktorarbeit wurde bereits ausgezeichnet: Die Abteilung für Sonnenphysik der Europäischen Physikalischen Gesellschaft hat Yuto Bekki den Patricia Edwin PhD Thesis Prize verliehen, die Internationale Astronomische Union die Doktorarbeit lobend erwähnt.

Lebenswichtige Gitter

Ohne sie kann das Leben nicht beginnen: Proteine. Die Eizellen von Menschen, wie von allen Säugetieren, halten deshalb essenzielle Proteine auf Vorrat, damit der Embryo in seiner Entwicklung darauf zurückgreifen kann.

Ida Marie Astad Jentoft beschäftigte sich in ihrer Doktorarbeit unter anderem mit der Frage, wie die benötigten Proteine in der Eizelle gespeichert werden. Eizellen sind von Geburt an in den Eierstöcken eines weiblichen Säugetiers angelegt und bleiben dort Monate oder sogar viele Jahre funktionsfähig. Entsprechend lange müssen sie ihre Proteine lagern, ohne dass sie abgebaut oder zu einem falschen Zeitpunkt aktiv werden. Jentoft fand heraus, dass sogenannte zytoplasmatische Gitter – fadenförmige Strukturen im Zellplasma – die Proteine einlagern. Fehlten die Gitter in einer Eizelle, konnte sich kein Embryo entwickeln. Das künstliche Einbringen der nötigen Proteine könnte in Zukunft ein neuer Ansatz sein, um Unfruchtbarkeit zu behandeln, die auf Mutationen in den mit dem zytoplasmatischen Gitter verbundenen Genen zurückzuführen ist.

Ida Marie Astad Jentoft studierte molekulare Biomedizin an der Universität Kopenhagen (Dänemark) und der McGill University in Montreal (Kanada). Ihren Master und die anschließende Promotion absolvierte sie an der Göttinger International Max Planck Research School for Molecular Biology in Göttingen. Im Jahr 2023 schloss Jentoft ihre Promotion bei Melina Schuh in der Abteilung Meiose am MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften ab. Seit 2024 arbeitet Jentoft als Postdoktorandin am Institut für Molekulare Pathologie in Wien (Österreich). Mit dem Otto Hahn Award kann die Molekularbiologin eine eigene Forschungsgruppe an einem Max-Planck-Institut ihrer Wahl aufbauen. Bereits zum dritten Mal in Folge vergibt die MPG damit einen Otto Hahn Award an eine*n Nachwuchswissenschaftler*in, der/die am Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften promoviert hat.

Verschobene Raster

Das Ribosom ist die Proteinfabrik unserer Zellen. Es ist dafür verantwortlich, aus den Vorlagen der mRNA Proteine herzustellen, die wichtige Aufgaben in lebenden Zellen übernehmen. Das Ribosom rekrutiert dafür sogenannte tRNAs, die den aus Nukleotiden bestehenden mRNA-Strang in Dreierschritten – den Codons – ablesen. Codon für Codon bewegen sich die tRNAs entlang der mRNA und entschlüsseln sie. Es kann jedoch vorkommen, dass die tRNAs vom Ableserhythmus abgelenkt werden; dieser Vorgang wird als Rekodierung bezeichnet. Erkenntnisse zur Rekodierung sind unter anderem für die Erforschung von Krebs, neurodegenerativen Erkrankungen oder die Weiterentwicklung von mRNA-Impfstoffen relevant.

Die Doktorarbeit von Panagiotis Poulis drehte sich um zwei Fälle der Rekodierung. Dafür verwendete er sogenannte Einzelmolekülmikroskopie und beobachtete individuelle Ribosomen. Zum einen untersuchte er das sogenannte Frameshifting von Ribosomen auf bestimmten mRNA-Sequenzen, bei dem sich das Leseraster des mRNA-Codes verschiebt. Zum anderen hat er mit Kolleg*innen erforscht, inwieweit spezifische chemische Veränderungen der mRNA beeinflussen, wie ihre Information entschlüsselt wird. Für beide Vorgänge konnte er wichtige zugrunde liegende molekulare Mechanismen entschlüsseln.

Panagiotis Poulis studierte Biologie an der Universität Athen (Griechenland), bevor er an die International Max Planck Research School for Molecular Biology in Göttingen kam. Im Jahr 2022 schloss Poulis seine Promotion in der Abteilung für Physikalische Biochemie von Marina Rodnina am Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften ab. Er arbeitet nun als Postdoktorand in derselben Abteilung und erforscht Rekodierungsereignisse bei Krebs und den Einfluss von mRNA-Modifikationen in mRNA-Impfstoffen.

Über die Otto-Hahn-Preise

Seit 1978 zeichnet die MPG jährlich Nachwuchsforschende für außergewöhnliche wissenschaftliche Leistungen und herausragende Promotionen mit der Otto-Hahn-Medaille aus. Der Preis ist mit 7.500 € dotiert. An besonders herausragende Preisträger*innen vergibt die MPG zusätzlich den Otto Hahn Award und eröffnet ihnen so die Möglichkeit, im Anschluss an einen Auslandsaufenthalt die Leitung einer Forschungsgruppe an einem MPI ihrer Wahl zu übernehmen. Die Auszeichnung soll den Weg für eine längerfristige Wissenschaftskarriere in Deutschland ebnen.

 

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